Vorwürfe gegen Kanzlerin: Minister nehmen Merkel in Schutz
Nach Kritik von CDU-Landespolitikern am Führungsstil der Kanzlerin haben mehrere Bundesminister ihr den Rücken gestärkt. Merkel sagte beim ersten Auftritt 2010 nichts zur Debatte.
BERLIN apn/dpa | Die Kritik am Führungsstil von Bundeskanzlerin Angela Merkel reißt nicht ab. Doch Merkel hat sich bei ihrem ersten offiziellen politischen Termin im neuen Jahr nicht zu den Streitigkeiten innerhalb ihrer Partei und der Koalition geäußert. Bei ihrer Rede zum Auftakt des internationalen Jahres der biologischen Vielfalt warb die Kanzlerin ausschließlich für mehr Anstrengungen zum Erhalt der Tier- und Pflanzenarten.
Nach den Vorwürfen mehrerer Landespolitiker forderte der saarländische Ministerpräsident Peter Müller seine Parteivorsitzende auf, in der schwarz-gelben Koalition für mehr "CDU pur" zu sorgen. Ziel müsse es sein, bei Wahlen wieder "Vierzig plus X" zu erreichen, sagte der CDU-Politiker dem "Handelsblatt" vom Montag. Andere Spitzenpolitiker der Union nahmen Merkel in Schutz.
Müller erklärte, in der Großen Koalition mit der SPD seien die originären Positionen der CDU zu kurz gekommen. "Das muss sich in der jetzigen Koalition mit der FDP ändern. Ich sehe keinen Grund, warum Hermann Gröhe als neuem Generalsekretär die Darstellung der CDU-Positionen nicht möglich sein sollte. Die entscheidende Frage ist, ob es gewollt ist", sagte Müller.
Vor der am Donnerstag beginnenden Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands in Berlin forderte Müller von der CDU-Spitze eine klare Strategie, wie die Stellung der Partei wieder gestärkt werden könne. "Die entscheidende Frage für die CDU ist: wie erhalten wir den Anspruch aufrecht, Volkspartei zu sein".
CDU-Generalsekretär Gröhe bekräftigte im "Handelsblatt" sein Anliegen, das christliche Wertefundament seiner Partei künftig wieder stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Es sei eine bewusste Entscheidung gewesen, für die Klausurtagung den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, und die Ratsvorsitzenden der EKD, Margot Käßmann, einzuladen, sagte er.
Auf der Klausurtagung soll es auch die von der Basis schon lange geforderte Wahlanalyse geben. Gröhe sagte dazu, das Ergebnis der Bundestagswahl 2009 lasse "Luft nach oben, keine Frage". Die CDU wolle vor allem von FDP und SPD Wähler hinzugewinnen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kritisierte den Stil der an Merkel geäußerten Kritik. "Natürlich ist jeder Diskussionsbeitrag über die Linie einer Partei in Ordnung, aber wenn man es auf diese Weise öffentlich macht, führt es eher dazu, dass die Diskussion erstickt, als dass sie erlebt wird", sagte er im MDR-Fernsehen.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg lobte Merkels Führungsstil. "Die Bundeskanzlerin führt, sie führt stark, und sie führt in einer Weise, dass ich nur sagen kann, dass es ein exzellenter Führungsstil ist", sagte der CSU-Politiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".
Auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner stellt sich vor die Kanzlerin. "Ich empfinde es als angenehm, dass Angela Merkel Konflikte intern klärt und durch Argumente überzeugt, nicht durch Basta-Mentalität und Gockel-Gehabe", sagte die CSU-Politikerin. "Das ist moderne Führung."
Der Vorsitzende der Jungen Gruppe im Bundestag, Marco Wanderwitz (CDU), wies Forderungen nach einem strafferen Führungsstil Merkels zurück. "Wenn Angela Merkel Diskussionen durch ein Machtwort abwürgen würde, würden wir als Kanzlerwahlverein bezeichnet. Da ist mir die derzeitige Variante deutlich lieber", sagte Wanderwitz der "Berliner Zeitung".
Mehrere CDU-Landespolitiker, darunter der sächsische CDU-Fraktionschef Steffen Flath, hatten in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" Merkel kritisiert und auch auf das schlechte Abschneiden bei der Bundestagwahl verwiesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?