Vorsitzende des Nachhaltigkeitsrates Thieme: Wer sie unterschätzt, verliert
Die Juristin Marlehn Thieme ist unprätentiös und kann viel. Sie wird neue Vorsitzende des Nachhaltigkeitsrates der Bundesregierung und wird wahrscheinlich den Laden aufmischen.
BERLIN taz | Es ist nicht schwer, Marlehn Thieme zu unterschätzen. Ihr Auftreten: zurückhaltend, unkompliziert. Ihre Sprache: so knapp wie präzise. Ihre Kleidung: irgendetwas zwischen Bankerin-Grau und Perlenketten-Adel. Ihr Tonfall: unprätentiös, interessiert. Ihr Humor: trocken. Eine Juristin ist sie, das erklärt vieles. Doch wer sie unterschätzt, hat schon verloren. Marlehn Thieme will was – und sie kann viel.
Die Direktorin der Deutschen Bank gehört zur wirtschaftlichen Elite des Landes. Und die zurückhaltende Frau wird in Zukunft häufiger in die Öffentlichkeit treten: als neue Vorsitzende des Nachhaltigkeitsrates der Bundesregierung. Das 15-köpfige Gremium berät die Regierung, wie eine nachhaltige Umwelt- und Rohstoffpolitik aussehen könnte. Marlehn Thieme war bisher Vizechefin des Rates. Nun folgt sie dem früheren Parlamentarischen Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Hans-Peter Repnik (CDU), nach, der das Amt aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hat.
Es ist damit zu rechnen, dass Marlehn Thieme den Laden aufmischt. Sie hat angekündigt, sie wolle die bald zehn Jahre alte nationale Nachhaltigkeitsstrategie überprüfen: „Was hat in der Nachhaltigkeitspolitik gut funktioniert und was muss besser werden?“ Die Debatte über eine nachhaltige Entwicklung müsse jetzt die soziale Dimension stärken. Sie werde sich bemühen, mit dem Rat „noch mehr Wirksamkeit zu erzeugen“.
Soziale Dimension stärken
Marlehn Thieme ist eine Karriere-Frau, die sich im Macho-Milieu der Bankenwelt durchgesetzt hat. Geboren 1957 in Bremen, absolvierte sie zunächst eine Trainee-Ausbildung bei der Deutschen Bank, landete in deren Zentralen Personalabteilung, wurde Geschäftsführerin der bankeigenen Alfred-Herrhausen-Stiftung „Hilfe zur Selbsthilfe“, kümmerte sich ab 2001 um das Privatkundengeschäft des mächtigen Geldhauses, um schließlich seit 2005 als Direktorin den Bereich „Corporate Social Responsibility (CSR)“ zu leiten. Seit vier Jahren ist sie zudem Mitarbeitervertreterin im Aufsichtsrat des Finanzunternehmens.
Ihr strategisches Denken hat sie schon im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gezeigt. Dort stieß sie wesentlich die Reform der 25-Millionen-Kirche an, ein Projekt, für das sie weiterhin brennt. Fast wie nebenher hat sie im hessischen Bad Soden noch zwei Töchter großgezogen – sie weiß genau, um wessen Zukunft sich ihr Rat kümmern muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben