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SanssouciVorschlag

■ Das Schweigen verstehen

„die Gespräche des nachts / waren wertlos und sind schon / in alle Winde / verkauft. Voyeure / des besseren Wissens / sind wir gewesen, mit der / gesicherten Stille / des dauernden Winters / im Rücken, mit schönen Sätzen, / die irgendwo im Büro / eines kläglichen Amtes / zerbrachen“ – ein Ausschnitt aus einem Gedicht, das Kurt Drawert, der Leipziger Schriftsteller, der jetzt in Bremen lebt, im Frühsommer dieses Jahres geschrieben hat.

Drawerts Text ist Erinnerung an die DDR, an die „gesicherte Stille“. Deren Peinlichkeit wird nun, nach dem Ende des Landes, mit Schweigen komplettiert. Die Erinnerung an die DDR verblaßt; nicht selten verwandeln sich die Fetzen, die noch im Gedächtnis hängengeblieben sind, in einen Sumpf mystischer Verklärung (wohlgemerkt: nicht bei Drawert). Eine kaum harmlosere Variante, lückenhafte Erinnerung auf die Gegenwart zu beziehen, ist mindestens ebenso verbreitet: sprachlose Resignation.

Dagegen steht immer wieder „Arbeit an der Wahrnehmung der DDR, wie sie war“, wie sie die Literaturwissenschaftlerin Frauke Meyer-Gosau in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Text + Kritik empfiehlt. Das Heft hat Literatur und Staatssicherheit zum Thema, und gut ein Jahr nach dem abrupten Ende der hitzigen Stasi-Debatte im Feuilleton geht es in Meyer-Gosaus Aufsatz gerade um jenes Schweigen, das die DDR-Realität so fatal ergänzt. Die Autorin beschäftigt sich mit den Verteidigungsreden von Schriftstellern, die der Staatssicherheit über kurze oder lange Zeit Auskunft gaben, und leitet daraus in einer fulminanten Schlußfolgerung ab, „welcher Mechanismen sich der sozialistische Staat bedienen konnte, um den Kulturverlust, den die selbstverständliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Geheimpolizei bedeutet, in seinen Bürgern zu verankern“.

Dabei weist Meyer-Gosau der SED eine zentrale Rolle zu: Bei denjenigen, die sich auf den Machtapparat eingelassen hatten, sei selbst die Entstehung und Festigung von Selbstbewußtsein „nur in Abhängigkeit von der Instanz Partei“ zu denken gewesen. Nach Meyer-Gosaus Argumentation liegt hier auch der Schlüssel wenigstens für einen Teil des Schweigens: „Außerhalb des Zentrums herrschte Stille, darin wiederum bestenfalls observierte Klandestinität. Diese Konstitution rief ein Schweigen hervor, das dem Anschein nach auch heute noch bis ins Innere der Persönlichkeit reicht.“ Friederike Freier

Heute um 20 Uhr diskutiert Frauke Meyer-Gosau über das Thema Literatur und Staatssicherheit mit Marko Martin und Joachim Walther in der LiteraturWerkstatt, Majakowskiring 46–48, Pankow.

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