Sanssouci: Vorschlag
■ Steve Vai im Huxley's
Als Frank Zappa zu Beginn der achtziger Jahre Breitwandepen für die Sologitarre komponierte, holte er sich den damals 19jährigen Steve Vai in die Band. Laut Credits war Steve Vai für impossible guitar-parts und „Gitarrenschändung“ zuständig. Strat-abuse bedeutete jedoch nicht etwa, daß der junge Steve sich den üblichen phallozentrisch gelagerten und langweilig-ausgedehnten Gitarrensoli hingab. Bei „Ship arriving too late to save the drowning witch“ oder „Sinister Footwear“ hatte jeder Ton der in vertrackten Rhythmen und halsbrecherischer Geschwindigkeit gesetzten Zappakompositionen seinen Platz.
Damals spielte Zappa bahnbrechende Soli – mit Eleganz, Gefühl und voller Wut. Wenn Jung-Steve dann auch mal durfte, trug das Wunderkind die Stücke mit phantasievollen und kapriziösen Gitarren-Rittbergern aus der Bahn und wieder zurück. Schwindelerregende melodische Schraubungen rasten aus den Partituren, jedes Solo kam einer kompositorischen Befreiung gleich. Auf Steve Vais Abschiedsalbum „Them or us“ widmete Zappa dem frechen Sideman das Stück „Stevie's Spanking“.
Mittlerweile hatte Steve Vai mit Zappas Hilfe die zwei ziemlich verschrobenen Soloplatten „Flex-able“ und „Leftlovers“ aufgenommen. Sie ließen schon damals den Mystiker ahnen, dem die ernsthafte Beschäftigung mit Pyramidenesoterik, Außerirdischen-Musik und denkenden Broccoli nicht fremd ist. Den großen Ruhm brachten ihm erst die Soloprojekte des Van- Halen-Sängers David Lee Roth: die Alben „Eat'em and smile“ und „Skyscraper“ setzten der musikalischen Entwicklung Van Halens das Sahnehäubchen auf und klangen mehr nach Van Halen als Van Halen selbst. Allerdings kamen schmissig-farbige Bläsersätze hinzu, die die Hörgewohnheiten durchbrachen.
Schließlich trat Vai als Gast in dem Bluesfilm „Crossroads“ auf. Thomas aus Lübeck hat sich die Stelle mit dem Gitarrenduell mindestens 27mal angesehen: Vai hält als Teufel seinem Widersacher beim Spielen angeberisch das Griffbrett vor die Nase, zieht den Vibratohebel bis zum Anschlag und läßt die Gitarre schließlich, als er das Duell verliert, ohne Kommentar aus der Hand fallen und verzieht sich mit den Groupies.
Mit zunehmendem Erfolg rutschte Vai unaufhaltsam dem Kitsch des Hollywood-Glamours entgegen. Der Musik schadet's nicht. Es sind Hymnenverbrämungen und Soundtracks zu Traumerlebnissen, bei denen sich die Instrumente durch erotische Phantasien jagen. Mit quietschenden Coverfarben aus „Passion“ und „Walfare“ und einem Mischmasch aus Indianerlook und Las-Vegas-Cowboystiefeln wurde Steve Vai zum Jeff Koons der Rockmusik. Fernando Offermann
Heute abend um 21 Uhr im Huxley's.
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