: Vorschlag
■ „Unerhörte Musik“ im BKA: Ludger Hofmann-Engl, Klavier
Musikalische Theorie war seit jeher nicht nur trockenes Analysieren und Abbilden klingender Kunstwerke in Regelwerk, sondern inspirierte, oftmals gepaart mit pädagogischer Absicht, Komponisten verschiedenster Epochen zu neuen Tonschöpfungen. Der in London lebende deutsche Musikwissenschaftler, Pianist und Komponist Ludger Hofmann-Engl hat das Programm seines Solo-Abends auch unter diesem Gesichtspunkt zusammengestellt und noch einen weiteren Aspekt berücksichtigt: sowohl Johann Sebastian Bachs berühmtes Lehrwerk „Kunst der Fuge“ als auch der direkt darauf bezogene „Ludus tonalis“ von Hindemith und Bélà Bartoks „Mikrokosmos“, aus dem er drei Stücke interpretieren wird, sind kompositorische Experimente.
Ergänzt wird dieser Programmschwerpunkt durch Hofmann- Engls eigenes Stück „Collection A.6“, das auf seiner Theorie der Grundtonbezogenheit beliebiger Klänge aufbaut. Daneben bringt er seine 5. Klaviersonate zur Uraufführung, die, in drei kontrastierenden Sätzen angelegt, ihren Titel „Sonate“ wohl aus der Tradition herleiten darf. Den zweiten thematischen Schwerpunkt des Abends bilden die berüchtigten „Variationen op. 27“ von Anton Webern, denen Hofmann-Engl die „25 Variationen for Piano“ des jungen englischen Komponisten Giles Easterbrook und dessen Variationswerk „Petite Etude Pourpre“ gegenüberstellt: Die Variationsform ist – im 20. Jahrhundert einem grundlegenden Wandel unterzogen – in all diesen Werken nicht mehr an der Oberfläche sichtbar, sondern vielmehr in kaleidoskopartigen Abwandlungen der Mikrostrukturen versteckt und sorgt so nicht nur für innere Verwandtschaft des musikalischen Materials, sondern auch für dessen Ökonomie.
Ein „Intermezzo“ des südafrikanischen Komponisten Ian Solomon vervollständigt das Programm und stellt die Überleitung von Easterbrooks musikalischen Welten zum klanglichen Vokabular in Ludger Hofmann-Engls eigenen Werken dar. Und so mag der Abend, über das Interesse an den einzelnen Stücken hinaus, zwei spannende, eher selten wahrgenommene Aspekte der Klaviermusik unseres Jahrhunderts aufzeigen. Fred Freytag
Heute, 20.30 Uhr, in der Reihe „Unerhörte Musik“ im BKA, Mehringdamm 34, Kreuzberg.
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