■ Vorschlag: Stefan „Affekt“ Bachmann mit einer Zürcher Arbeit beim Theatertreffen
„Troilus, du bisch en gailer Bock. En gailer Bock!“ Solche Sätze wecken verständlicherweise Berufswünsche. Zumal bei einem 12jährigen Zuschauer, dessen Lehrerin dieses Wörtchen gerade aus dem Sprachgebrauch verbannt hatte. Und dann eine ganze Theaterprobe, auf der ein verrückter Regisseur seinen Troilus immerzu mit diesem Reizwort anfeuert! Stefan Bachmann lacht. Heute ist er Regisseur, doch ihm fallen leicht 1.000 Worte ein, um einen Schauspieler in Stimmung zu bringen. Witzig, phantasievoll, energiegeladen – und im entscheidenden Moment zurückhaltend, um der schauspielerischen Idee Platz zu lassen, so arbeitet er. Vom frühen Idol ist wenig geblieben.
Dennoch: Solche Anekdoten erzählen sich leicht, genauso leicht, wie der 30jährige Bachmann, gebürtiger Zürcher, und sein Dramaturg Lars-Ole Walburg, gebürtiger Rostocker, druckreif reibungsvolle Kurzanalysen über sich, ihren Inszenierungsstil, Gott und die Welt vom Stapel lassen. Dazu haben die beiden nun hinlänglich Gelegenheit, schließlich ist das Medieninteresse groß. Nach etlichen Erfolgen an deutschsprachigen Bühnen ist Bachmanns Zürcher Inszenierung des Goethe-Romans „Die Wahlverwandtschaften“ ab heute beim Theatertreffen zu sehen. Außerdem gilt ihre Berliner Gruppe Theater Affekt als Talentschmiede. Zeitlich passend wird Bachmanns letzte Affekt-Inszenierung, das Goethe-Singspiel „Lila“, nun mit dem Friedrich-Luft-Preis ausgezeichnet. Kürzlich belegte die Crew, halb leichtfertig, halb provozierend, ihren Stil mit dem Schlagwort „Neokonservatismus“. Ein gefundenes Fressen für die Presse, doch politisches Programm ist das nicht. Zwar ist ihnen die Suche nach Werten zentrales Anliegen – und da spielt der „Boxgesang“ von Botho Strauß durchaus eine streitbare Rolle –, doch die Ironie folgt postwendend. Wenn Bachmann und Walburg Goethe, die alten Griechen oder Brecht inszenieren, werden die Stücke nicht „zertrümmert“, sondern auf der Suche nach dem letzten Tropfen Gehalt in den Schwitzkasten genommen. Flapsigkeit und Trivialisierung ist ihr Metier: Trash mit Melodie. Bei Walburg liegt die Betonung auf Trash, bei Bachmann eher auf Melodie. Beide jedoch glauben an ihr Medium und an ihre Stoffe. Übrigens: Daß sie sich mitunter so betont von Castorf distanzieren, hat wohl nur den einen Grund, daß sie in ihm „den Papi“ ihrer Generation der Jungregisseure sehen. Kein Wunder, daß sie sich „neokonservativ“ geben, wenn „Papi“ „geil“ und dergleichen auf der Bühne etabliert hat. Petra Brändle
„Wahlverwandtschaften“ nach Goethe, heute und morgen: 19.30 Uhr, am 19.5., 14 und 20 Uhr, DT-Kammerspiele, Schumannstr. 13 a
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