■ Vorschlag: Lesung zum 30. Todestag von Inge Müller in der Literaturwerkstatt
Für drei Tage lag die Stenotypistin Ingeborg Meyer 1945 unter den Trümmern eines Berliner Mietshauses – verschüttet gemeinsam mit einem schwarzen Schäferhund. Wenige Tage vor Kriegsende gräbt sie die Eltern aus den Trümmern. Von diesem Trauma hat sich Inge Müller, wie sie seit ihrer Heirat mit Heiner Müller 1954 hieß, zeitlebens nicht erholt: „Als ich Wasser holte fiel ein Haus auf mich / Wir haben das Haus getragen / Der vergessene Hund und ich. / Fragt mich nicht wie / Ich erinnere mich nicht. / Fragt den Hund wie.“ Inge Müller arbeitete als Journalistin, als Kinderbuchautorin, sie schrieb Hörspiele und gemein-Inge Müller Foto: Köppe sam mit ihrem Mann die Stücke „Lohndrücker“ und „Die Korrektur“. Wenig wies zu ihren Lebzeiten darauf hin, daß Inge Müllers literarische Begabung in der Lyrik lag. Nur ein paar Gedichte wurden in Sammelbänden gedruckt. Zum 30. Todestag der Lyrikerin veranstaltet die Literaturwerkstatt jetzt eine Lesung mit Texten von Inge und Heiner Müller.
1979 schrieb Adolf Endler: „Inge Müller war der erste wichtige weibliche Autor lyrischer Texte in der DDR.“ Es dauerte jedoch noch einmal sechs Jahre, bis sich der Aufbau Verlag entschloß, einen bereits 1968 geplanten Band mit ihren Gedichten herauszugeben. Die Dichterin selbst und ihr schmales Werk galten in der DDR jedoch schon lange vorher als Geheimtip. Anders als die platten Elogen auf den sozialistischen Aufbau wirken die Gedichte, in denen sie das eigene Erleben im Krieg thematisiert, authentisch: „Da fand ich mich / Und band mich in ein Tuch; / Ein Knochen für Mama / ein Knochen für Papa / Einen ins Buch“ („Trümmer 45“). Der Stil dieser Gedichte ist der des „permanenten Stilbruchs“, wie Endler schreibt, „eine Poesie knapp vorm Absturz...?“ Dort befand sich die Autorin während der letzten Jahre ihres Lebens auch selbst. Die Isolierung, die auf das Verbot von Heiner Müllers „Umsiedlerin“ folgte, verstärkten ihre Selbstzweifel. Depressionen ertränkte sie in Alkohol. Nach zahlreichen mißglückten Selbstmordversuchen starb Inge Müller 41jährig an einer Überdosis Tabletten. Peter Walther
„Daß ich nicht ersticke am Leisesein!“ Mit Adolf Endler u.a., heute, 20 Uhr, Literaturwerkstatt Pankow, Majakowskiring 46–47
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