piwik no script img

■ VorschlagKeks oder Schokolade? Pulp sind different und wollen keinen Ärger

Die vor einem Jahr gern gestellte Frage zur Lage der Pop-Nation hieß: Oasis oder Blur? Immer öfter lautet darauf die Antwort: Pulp. Seit deren Album „Different Class“ herauskam, kann man sich geschickt – und auch ein wenig erleichtert – den schwierigen Entscheidungen zwischen Arbeiterklasse oder Mittelstand, Proll- oder Intelligenzija-Pop, Direktheit oder Verspieltheit entziehen.

Mit Pulp findet man sich an ganz anderen, ungleich wichtigeren Orten wieder: Man versteht wieder, warum man in jungen Jahren begann, Pop nicht nur zu konsumieren, sondern auch als Haltung zu verstehen, als Begleittext zum Anderssein, als Schutz vor Geradlinigkeit und Strebsamkeit. Unverstanden vom Gros seiner Mitmenschen kann man sich via Pop sein eigenes Universum errichten und den Geschmack von Freiheit und Abenteuer kennenlernen. Pulp verkörpern die Essenz von Popmusik, wie wir sie kennen, und formulieren das auf „Different Class“ so: „Please understand. We don't want no trouble. We just want the right to be different. That's all.“

Musikalisch spiegelt sich das in Opulenz und Breitwandigkeit, erinnert an Herren wie Lee Hazelwood oder Mark Almond. Pulp machen ein bißchen Pop-Theater, sind geschmäcklerisch und dandyhaft. Doch Jarvis Cocker verliert beim Pochen auf das Recht, „to be different“, auch andere Durchblicke nicht: „Common People“ handelt von einem Mädchen aus gutem Haus, das leben will wie die common people, jedoch nie verstehen wird „how it feels to live without meaning or control and with nowhere left to go“. In „Mis Shapes“ will man keine Waffen gebrauchen, keine Bomben, sondern „only use the one thing we've got more of, that's our minds“.

Und Cocker selbst bewies zuletzt leibhaftig, wie man den gesungenen Worten auch (symbolische) Taten folgen läßt: Bei der Verleihung des Brit-Pop Awards enterte er die Bühne beim Auftritt von Michael Jackson und karikierte den mit comichaften Bewegungen, aus Protest gegen dessen peinliches, sinnentleertes Aufschwingen zum Heilsbringer für die Welt. Korrekt, kann man da nur sagen, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, daß Cocker bei Jackson einiges an Bewegungen für seine Bühnenshow abgeguckt hat, auf der Bühne manchmal selbst wie eine Karikatur von Jacko wirkt. Was aber anscheinend wie eine Bereicherung wirkt: Denn daß viele Leute nach dem letzten Auftritt von Pulp im Dezember meinten, das beste Konzert des Jahres erlebt zu haben, spricht nur zusätzlich für Klasse und Größe dieser Band. Gerrit Bartels

Pulp, heute, 20 Uhr, Huxleys Neuer Welt, Hasenheide 108

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen