■ Vorschlag: Verschmitzt: Das Literaturhaus stellt Wolfgang Koeppens Leben aus
„Ich entstamme einer nach landläufiger Auffassung heruntergekommenen Familie. Zur Zeit meiner Geburt muß sie leider den tiefsten Stand ihres Ansehens erreicht haben.“ So beschreibt Wolfgang Koeppen, der 1906 in Greifswald geboren wurde, seine Herkunft. Aus Greifswald kommt auch eine Ausstellung über Leben und Werk des großen Erzählers, die am Sonntag – wenige Tage vor dem 90. Geburtstag Koeppens – im Literaturhaus in der Fasanenstraße eröffnet wurde. „Mein Ziel war die Ziellosigkeit“, so haben die Greifswalder Germanisten Gunnar Müller-Waldeck und Andrea Beu ihre Ausstellung überschrieben.
Auf 21 großformatigen Bildtafeln und einer begleitenden Tafel mit Lebensdaten ist die Biographie Koeppens ausgebreitet. In Vitrinen sind Erstausgaben, Autographen und Gegenstände aus dem persönlichen Besitz von Koeppen zu sehen, etwa die Plastik des „Lachenden Narren“ aus dem 17. Jahrhundert, der dem greisen Dichter auf verblüffende Weise ähnlich sieht. Allein die Fotografien von Nomi Baumgartl lohnen den Besuch der Ausstellung. Die publikumsfreundliche Gestaltung ist den Berliner Graphikern Minkewitz & Schneider zu verdanken, die sich nach Fallada und Huchel bereits zum dritten Mal an eine Literaturausstellung gewagt haben.
Berlin ist für Koeppen eine wichtige Station gewesen. 1927 kommt er hierher und findet wenige Jahre später durch Vermittlung von Herbert Ihering eine Anstellung als Journalist beim Berliner Börsen Courier. 1935/36 debütiert Koeppen, der damals im holländischen Exil lebt, mit zwei Erzählungen. Nach seiner abenteuerlichen Rückkehr nach Deutschland hält er sich bis 1943 mit dem Verfassen von unpolitischen Drehbüchern über Wasser. Um dem drohenden Fronteinsatz zu entgehen, lebt er das letzte halbe Jahr bis zum Zusammenbruch der Nazidiktatur versteckt in einem Keller. Koeppens Rang in der westdeutschen Nachkriegsliteratur wird zumeist an seiner Romantrilogie „Tauben im Gras“ (1951), „Das Treibhaus“ (1953) und „Der Tod in Rom“ (1954) gemessen, in der er gegen die Restaurationsbewegungen in den frühen fünfziger Jahren anschreibt. Auf diesen Kraftakt folgt über zwei Jahrzehnte vor allem Reiseliteratur. Erst 1976 meldet er sich mit der autobiographisch gefärbten Erzählung „Jugend“ wieder zu Wort.
Koeppen war stets gut für Überraschungen in Sachen Literatur. So etwa, als er 44 Jahre nach Erscheinen der „Aufzeichnungen aus einem Erdloch“ von Jacob Littner das Geheimnis um die Autorschaft lüftete – er selbst hatte nach Notizen Littners diesen erschütternden Bericht vom Überleben eines Münchner Juden und der Polin Janina geschrieben. Als Koeppen im März dieses Jahres starb, erwartete man wenigstens zwei Dutzend Manuskripte im Nachlaß. Seit Jahren schon und immer wieder hatte der Dichter versprochen, „demnächst“ einen neuen Roman vorzulegen. Wer die Maske des „Lachenden Narren“ in der Ausstellung sieht, wird sich nicht wundern, daß die Schubläden leer waren. Peter Walther
16. 6.-21. 7., täglich außer montags 11-19 Uhr, Fasanenstr. 23, Charlottenburg. Der Katalog zur Ausstellung kostet 24 DM.
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