■ Vorschlag: So cool wie Marla Glenn - nur mit dem deutlich besseren Sound: Me'Shell NdegeOcello im Loft
Die Frau, deren Nachname wirklich schwierig auszusprechen ist, hat heute sozusagen ein Heimspiel. Me'Shell ist in Berlin geboren. Allerdings hat sich ihre Familie kurz darauf für Washington entschieden, und so kommt es auch, daß sie schon als Teenager am Jazzprogramm der Duke Ellington School of Arts teilnahm. Eine Frau, deren Musik eine ungeheuer entspannte, fließende Interaktion zwischen HipHop, Funk, Soul und Jazz ist. Wo die Melodie manchmal von ganz weit weg zu kommen scheint, sind die Texte hier und jetzt: deutlich und politisch. „Plantation Lullabies“ hieß ihr Debüt, und auch wenn die Mischung aus textlicher Aufarbeitung postkolonialer Sklavengeschichten und Wiegenlied verwirrt, so ist es genau das, was Me'Shell NdegéOcello auszeichnet. Das hat sich auch bei ihrer aktuellen LP „Peace beyond Passion“ nicht geändert. Worte, die schneidend scharf die Zustände in den bestehenden Reservaten, Homelands, Ghettos und Gefängnissen beschreiben, und Musik, die traurig und vergessen wie der träge Mississippi darüber hinwegzufließen scheint. Angefangen hat sie als Bassistin bei Steve Coleman, Caron Wheeler, Lenny White und The Black Rock Coalition, sie hatte die musikalische Leitung von Arrested Developments Saturday-Night- Live-Show, und es gab Anfragen von Living Colours.
Obgleich ihre Titelauswahl manchmal den Esoterikhauch wehen läßt, die Aussage ihrer Stücke bleibt auch hinter religiös anmutenden Fassaden deutlich. Ihr Anliegen ist der Befreiungskampf, da ist sie straight HipHop. Wenn sie Stücke über „Niggerman“, „Mary Magdalene“, „The Womb“ macht, scheint sie sich auf der Suche nach der starken Frau, die ihre Kraft aus sich selbst schöpft, zu bewegen. Hört sich fürchterlich an, aber weil sie diesen coolen funky Cocktail-Sound dazu macht, souverän und stark auftritt, ist es viel weniger schlimm.
Daß sie an Grace Jones erinnert, ist weniger dem Foto auf den hinteren Seiten ihres CD-Covers geschuldet als vielmehr ihrer Stimme, die tief, samtig über die Ohren streicht. Obgleich Me'Shell auf das rauchig-laszive Vibrato der „Slave of the Rhythm“-Interpretin verzichtet. Was bei Me'Shell vielleicht am meisten verwundert, ist der scheinbar krasse Gegensatz zwischen Wort und Sound. Daß sie in ihren Texten nigger, faggot und whore benutzt, ließe mehr auf Rap-Lyrics schließen. In ihrem Kontext tauchen sie auf, zwischen aufklärerischer Rassismus/Sexismus/Homophobie-Reaktion, und dem offensichtlichen Nichtinteresse, einen moralischen Lehrerinnenstandpunkt einzunehmen. Um der musikalischen Unterteilung zuvorzukommen, hat sie sich ein Greg-Tate-Zitat aufs Cover geschrieben: „There's no such thing as alternative hiphop because the only known alternative to hiphop is dead silence.“ So cool wie Marla Glenn – nur mit dem deutlich besseren Sound. Annette Weber
Heute, 20.30 Uhr, Loft im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg
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