■ Vorschlag: Staalplaat präsentiert Kapotte Muziek und Co Caspar, C.O.C.
„Wir veröffentlichen wahrscheinlich Sachen, die keine Musik sind“, umreißt Geert-Jan Hobijn das Programm seines Amsterdamer Staalplaat-Labels. Ein bescheidener Mann, denn was Staalplaat den Berliner Geräuschefans zur Zeit so alles auf die Ohren gibt, ist wesentlich bizarrer als keine Musik: BMB con aus Holland schnallen knackenden Insekten Richtmikros um, die englischen Hisbollah- Kempen von Muslimgauze lassen ihre ungestümen Ethnorhythmen von der Leine, und schon letzte Woche entledigte sich das französische Duo Etant Donnés mit einem Quickie aus gebrüllten Männerküssen und schreiender Frontfrau seiner Performanceschicht.
Mehr Klangcollage war nicht nur im Radio nie: Heute nun müssen die holländischen Soundgärtner von Kapotte Muziek ran, um dem avantgardistischen Ruf ihres Vertragspartners alle Ehre zu machen. Vor den Auftritten des Trios steht aber noch der Gang über die urbane Müllkippe, aus der akribisch alles Akustikfähige herausgefiltert wird, um es in das Konzept der „musica povera“ einzupassen. Der Trödelcombo zur Seite gesellen sich Co Caspar, C.O.C. und seine Geräuschkonstrukte aus Metall, Plastik und Latex. E-Musik goes Fischertechnik, und immer mit dabei: Licht und Raum. Denn nur dann wird's eine Installation mit Echtheitssiegel. Seine August- Dependance hat Staalplaat im Biergarten des Praters installiert, wo abends urbi et orbi gesampelt und tags CDs zum mehrmaligen Hörsturz feilgeboten werden. Ein bißchen Verarsche muß freilich auch hier sein, denn Labelchef Hobijn verkauft schon mal Tapes ohne was drauf. Das erstaunte Gesicht möchte man hören.
Das Sampling alles Schrecklichen boomt nicht nur im Easy-Listening-Bereich. Schon länger schraubt der Sniper-Club inmitten der sauberen Hackeschen Höfe alles Schrecklichklingende zusammen. Doch die Leichtfüßigkeit aus den Berliner Hobbykellern ist im Staalplaat-Klub ernsthafter Performance-Arbeit gewichen: Andächtig sitzen die Besucher zwischen verschwommenen Diavorträgen und lauschen angestrengt, was sich so an Einfällen aus dem Boxengeknister schält. Wer die meisten Geräusche erkennt, darf lächeln. Oliver Gehrs
Kapotte Muziek und Co Caspar C.O.C.: Heute, 21 Uhr im Eimer, Rosenthaler Straße; Staalplaat-Klub, täglich ab 14 Uhr, Prater-Garten, Kastanienallee 7-9
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