■ Vorschlag: Japanischer Trommelmarathon: „Za Ondekoza“ im Tempodrom
Japaner haben einen Hang zur Exzentrik. Tagayasu Den etwa zog vor mehr als 25 Jahren mit einigen Getreuen auf die vor Okinawa gelegene Insel Sado, um dort die alte Tradition japanischer Trommelgruppen weiterzuführen. Die kleine Gruppe taufte sich „Za Ondekoza“ und widmete sich dem rhythmischen Eindreschen auf riesige Faßtrommeln, Taiko genannt. Doch Tagayasu Den hatte auch seine eigenen Vorstellungen, was das Leben in einer Musiker-Wohngemeinschaft betraf: Neben dem obligatorischen Training an den Drums schrieb er seinen Mitbewohnern für die verbleibende Zeit intensiven Sport und Meditation vor. Eine Mischung aus Bundeswehr und Trommelworkshop. Solchermaßen gestählt, starteten die Ondekoza-Kempen 1975 zu ihrem ersten Auslandsauftritt. Beim Boston-Marathon nahmen die 15 Kraftbolzen nicht nur am Wettlauf teil, sondern sprinteten gleich nach Erreichen der Ziellinie weiter zur Bühne, um dort ihr Konzert zu beginnen – was den Trupp damit buchstäblich auf einen Schlag weltberühmt machte.
Irgendwann rebellierten die geplagten Inselkommunarden gegen den autoritären Trommeltyrannen, und die Meuterer trommelten fortan unter dem Namen Kodo weiter. Tagayasu Den jedoch nahm einige neue, auch ausländische Mitglieder in seine Ondekoza-Crew auf, machte 1990 wieder auf bewährte Weise auf sich aufmerksam, indem er mit seinem Gefolge aufbrach zu einem gigantischen Marathonlauf – von der US-Ostküste nach Kalifornien und zurück.
Inzwischen hat der Altmeister die musikalische Leitung seiner Mannschaft einer jungen Frau, Takakubo Yasuko, übertragen – immerhin ist sie eine 400-Meter-Läuferin. Trotzdem bleiben die sportlichen Leistungen bei der heutigen Taiko-Performance eher im Hintergrund. Denn der eigentliche Reiz des martialischen Zeremoniells, dem durchaus ein Hauch von Riefenstahlschem Körperkult anhaftet, liegt in seinem Charakter als musikalisch-ästhetisches Gesamtereignis begründet: der Vereinigung von Körper, Geist und Trommel zum Roots-Techno. Daniel Bax
Heute abend um 20 Uhr im Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten
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