■ Vorschlag: Chansonette Juliette, eine für alle, im Renaissance-Theater
Frankreich liegt ihr zu Füßen. Juliette – die bislang noch Unbekannte aus Toulouse – hat in ihrer Stimme die Leidenschaft der Edith Piaf, den Schmerz von Jacques Brel, den Kitsch des Schlagersängers und die Rauhbeinigkeit des Mädchens vom Lande. Aber nicht nur das. Ebensogut könnte sie die Berliner Göre à la Claire Waldoff und Blandine Ebinger sein. Eine für alle eben.
Zu sehen ist sie im Rahmen des Festivalprogramms „Frankreich mit der Seele suchen“. Sie eröffnet den Abend mit „Rimes féminines“, einer hitverdächtigen Reinkarnation aller Superfrauen der letzten 200 Jahre. Ungewöhnlich für eine französische Chansonsängerin verführt sie mit parodistischem Charme und Wortwitz, inszeniert mit wenigen Gesten die Figuren, die sie besingt: weibliche Aktmodelle, traurige Glückliche, Alkoholiker, Riesen, „Pseudophile“ und freigeistig Liebende. Dabei läßt sie keinen Zweifel daran, worüber sie sich lustig macht und worüber nicht. Ihre klar ausgesprochenen Moderationen geizen nicht mit Zweideutigkeiten. Um sie doch zu verstehen, muß man ein Ohr dafür haben und die Abwege, auf die sie führt, lieben. So, wenn sie beschreibt, wie Marlene Dietrich in den dreißiger Jahren mit Fred – Anzug, Krawatte, Zigarillos und Schuhe nur vom feinsten – die Pariser Boulevards entlanggeht und dann im „Monokel“ einkehrt und alle Fred zu lange für einen Mann halten und das Lokal – „Olala“ ...
Juliette komponiert ihre Lieder selbst. Mit ihrem frivolen Humor klingt die Musik gelegentlich wie die Persiflage von Musettewalzern, Tangos, Etüden und Marschmusiken in einem. Ihr künstlerisches Geheimnis liegt in der Großzügigkeit, mit der es ihr immer wieder gelingt, musikalische Fetzen von imaginären Chansons einzuflechten: die alten melodischen Schleifen, ein zorniges Stakkato, ein rhythmisches Aufbäumen. Sie ist die Sängerin, die alles hat, auch das, was nicht sichtbar ist, und alles ist, was andere haben. „Ich bin unwiderstehlich“, singt sie, und es ist ihr Geheimnis, was sie wirklich damit meint. Waltraud Schwab
Heute, 20 Uhr, Renaissance-Theater
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