■ Vorschlag: Kopfschuß ahoi - Babylon Zoo und Jas Mann heute abend im Loft
Ein Näschen für den fix einschlagenden Popsong haben die Werbestrategen von Levi's, das muß man ihnen lassen: „Spaceman“ von Babylon Zoo wurde in England nach Release innerhalb einer Woche eine halbe Million Mal verkauft – in erster Linie natürlich durch die Dauerrotation eines Werbeclips, die sich, nicht zum ersten Mal, als weit effektiver erwies als das mühselige Plazieren eines Videos im Programm von MTV. Nun werden Hits dieser Größenordnung für ihre doppelt gemoppelte Kommerzialität und ihre fehlende Tiefe (hach!) offen gehaßt, nichtsdestotrotz aber verschämt gehört und heimlich geliebt: Länger als ein paar Wochen muß man sich ja mit den One-Hit-Wondern nicht auseinandersetzen. Meistens jedoch steckt mehr als eine Industriemarionette dahinter – nicht nur die letzte Woche in Berlin musizierenden Freak Power, die auch durch Levi's ihren kommerziellen Anschub hatten, beweisen das.
Babylon Zoo ist das Baby von Jas Mann, einem Sohn indischer Emigranten und ehemaligen Kunststudenten, der schon als Anführer einer mäßig guten Indieband, den Sandkings, den teenage sex god markieren konnte, der er heute in extenso ist.
„The Boy with the X-ray Eyes“ hat er sein erstes Soloalbum genannt, und das besteht aus mehr als nur „Spaceman“. Am Reißbrett und in Automaten erdacht, ist darauf ein Sound, der Authentizität nur aus dem Fernsehen kennt. Der versehen ist mit allem glamourösen Dreck, den man sich nur wünschen kann. Techno-Grunge darf man dazu auch sagen. Wobei Jas Mann in diesem Szenario das Wesen von einem anderen Stern verkörpert. Bowies Ziggy Stardust, Freddy Mercury und – ganz frisch, ganz Neunziger und völlig daneben – Brett Anderson von Suede haben für Mann und seinen Versuch, die Welt anders und strahlender und pompöser aussehen zu lassen, Pate gestanden. Mann steckt sie alle in die Tasche. Superoffensiv ist er, peinlich und größenwahnsinnig. In dem „Spaceman“- Video tanzt er als schlüpfriger Chrome-Guru durch einen Sci-fi- Film; „Sex is my drug and my soul“, singt er, ohne mit der Wimper zu zucken, und ganz leicht geht ihm von den Lippen, ein fantastischer Musiker und ein großer Songwriter zu sein. Kopfschuß ahoi, will man meinen, doch solange da kein akademischer Kunstanspruch um die Ecke kommt, geht das in Ordnung. Und das Wörtchen trash braucht Mann nun wirklich nicht extra auf sein Album zu pappen: Trash hat er haufenweise im Kopf, davon sind seine Songs voll. Obwohl sie wirklich mehr als nur eine Umdrehung Dauer und Intensität haben. Also: Maschinen volle Kraft voraus, Mann übernehmen Sie! Gerrit Bartels/Foto: Label
Heute abend ab 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen