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■ VorschlagZwei Zimmer, Küche, Bad – Kunst in der Wohnung Zimmermann oder die Variante des klassischen Salons

Ist es Leidenschaft oder einfach nur Bequemlichkeit, wenn der Schauspieler Joey Zimmermann seine Wohnung in der Auguststraße auch als Galerie nutzt? Weder noch – der kunstversessene Zimmermann hat einfach Pech. Pech, in dem bekanntesten Galerienviertel Berlins zu leben. Pech, mit drei Gleichgesinnten vor einem Jahr die Künstlergruppe die „Art der besten Freunde“ gegründet zu haben. Besten Freunden schlägt man nun mal nichts aus, auch nicht, wenn die mit einer schnellen Idee anrücken: ein Ausstellungsraum mußte gefunden werden. Und zwar einer, der sich von den nüchternen Galerien in der Auguststraße unterscheidet. Zimmermann verstand den Wink und bietet nun sein eigenes Heim als Kunstraum an. Keine gefällige Umgebung für Künstler, müssen sie hier doch mit der persönlichen Einrichtung des Schauspielers arbeiten, dürfen die intime Atmosphäre der 60 Quadratmeter nicht vergessen. „Die Besucher und die Künstler sollen sich zum Gespräch über Kunst und die Welt treffen, das ist das Wichtigste“, fordert Zimmermann und will sein Wohnatelier als Variante des klassischen Salons verstanden wissen.

Seit letztem Wochenende nutzt Ricoh Gerbl, eine Künstlerin mit herzhaft bayerischem Akzent, die ungewöhnlichen Ausstellungsräume und geht dabei radikal vor. Zimmermanns Möbel räumt sie aus, verpackt den gesamten Wohnungsinhalt in Umzugskartons und schiebt alles, wie für den Abtransport bereit, zur Seite. Dadurch sind die Räume zwar verwaist, aber zum Ausgleich läßt Gerbl an den Wänden ihre seltsamen amorphen Wachsobjekte zurück. Schön und abstoßend zugleich, erinnern sie an schrumpelige männliche und weibliche Geschlechtsteile. Egal, was sie nun einmal waren und was ihnen zugestoßen sein mag, jetzt hängen sie einfach runzelig vor sich hin. Mit Ricoh Gerbl können sie nun nicht mehr rechnen. Die ist schon lange am Ende dessen angelangt, was sie in ihrem Gedicht „die Platzsünde“ schreibt: „... ich aber, es tut mir leid, muß jetzt gehen“.

Wer natürlich da ist, ist Joey Zimmermann. Er lebt ja schließlich hier, auch während der Ausstellung, das gehört mit zum Konzept der „Art der besten Freunde“. Diesmal kann er einem fast ein bißchen leid tun, mit all diesen Umzugskisten. Aber zumindest liegt die Bettwäsche und das Nötigste bereit. Anja Brendle

Ricoh Gerbl: „Ich muß mich nur noch fertig machen, dann bin ich fertig“, bei Joey Zimmermann, Auguststraße 88, Mitte

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