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■ VorschlagKörperliches Nachspüren: „Y not“ im Theater am Halleschen Ufer

Wer sich über Kindereien ärgert, ist oft nur sauer, daß er selbst nicht mitspielen darf. Möchte man nicht einmal fliegen, so wie der Videokünstler Lutz Gregor, der am Ende des Tanzabends „Y not“ in einer Art Fallschirmhalterung mit ausgebreiteten Armen und Beinen knapp über dem Bühnenboden segelt und kreiselt, beschleunigt und verlangsamt von dem Tänzer Scott Smith? Doch leider darf man nur zuschauen, wie Gregor den Hauptgewinn des Abends genießt.

Verdient hat er den Spaß, denn seine Arbeit sorgt für die schönsten Bilder. Seine Kamera registriert nur das von den bewegten Körpern zurückgeworfene Licht, das die simultane Projektion in blaue Schatten verkehrt. Die Schatten erinnern an die sogenannten „Anthropometrien“ von Yves Klein, der Schenkel und Rumpf junger Damen mit blauer Farbe bestrich, bevor sie sich zu musikalischer Begleitung gegen eine Leinwand drücken durften. Klein, dem Guru des Blau, ist Heitkamps Tanzcollage „Y not“ gewidmet. Auf Klein, den Judoka und Ordensritter, Meister der Körperbeherrschung und der Meditation, lassen sich zwar viele Hinweise finden, die aber noch kein eigenes Stück ausmachen. Als ob man die Teile eines unvollständigen Puzzles dreht und wendet, fliegen Bilder und Szenen in alle Himmelrichtungen davon. Heitkamp, der als Gründer und langjähriger Choreograph der Tanzfabrik mit diesem Stück seine Auseinandersetzung mit Klein abschließt, entwickelt viele Sequenzen aus der Contact Improvisation, dem direkten körperlichen Nachspüren.

Das verlangt von den Tänzern Vertrauen und große Flexibilität. Doch die intimen und überraschenden Momente, die dabei entstehen, scheinen ihnen selbst oft mehr Vergnügen und Spannung zu bescheren als den Zuschauern. Klein verleibte seinem blauen Kosmos das Banalste und das Heiligste ein; dem Tanzstück hingegen gelingt es nicht, zwischen kunstphilosophischem Anspruch und körperlichem Geschehen überzeugend zu vermitteln. Vielleicht ist das ganz gut so: Denn letzten Endes war Kleins Konzept von ästhetischen Erlösungsphantasien geprägt, statt das Wissen um die eigene Endlichkeit auszuhalten. Das aber bleibt die eigentliche Herausforderung für den Tanz. Katrin Bettina Müller

„Y not“, Theater am Halleschen Ufer, 26.11.-1.12., 21 Uhr

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