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■ Vorschlag„Weit weg von Hagedingen“ in den Kammerspielen

„Weit weg von Hagedingen“ ist kein großes Stück. Eigentlich geben die 14 kurzen Szenen, in denen der lothringische Schauspieler und Regisseur Jean-Paul Wenzel den Ruhestand eines alten Ehepaares beschreibt, nicht viel mehr her als einen Spielanlaß für gemischtes Schauspielerdoppel. Anders in den Kammerspielen des Deutschen Theaters. Denn mit diesem Ausmalbuch für Realisten in der Regie von Michael Gruner verabschiedet sich der Schauspieler Kurt Böwe als festes Ensemblemitglied. Der 67jährige wird dem Haus in Zukunft nur mehr als Gast angehören.

Doch das mithin am Sonntag abend in den Kammerspielen des Deutschen Theaters zu erwartende rührselige Abschiedsfest für den zu DDR-Zeiten überaus geliebten und weiter populären Mimen entfiel. Dabei hätte es die Geschichte des Rentners Georges hergegeben, die merkwürdige Überschneidung zwischen Schauspieler und Rolle war nicht zu übersehen. Zwischen der gängigen Vorstellung vom Akteur, der bis zum erwünschten Tod auf der Bühne nicht abtritt, und der Rolle des Georges, der sich nicht befreien kann vom Rhythmus des Walzwerks, in dem er 55 Jahre seines Lebens verbrachte. Der weiterarbeitet, lieber in seiner Werkstatt Nutzlosigkeiten herstellt, als die „Zeit zu nutzen, um etwas anderes zu erleben“.

Aber Böwe und seine bezaubernde Partnerin Christine Schorn als Ehefrau Marie zeigten sich nicht aufgelegt zu glanzvollen Gustostückerln aus der Trickkiste der Schauspielkunst. Als scheuten sie die Liebesbereitschaft ihres Publikums. Statt dessen also: das Leben. Kleine Gesten, mürrisch geworden über der unwiederbringlich verflossenen Zeit. Ungelenke Zeichen einer nie ausgelebten Liebe, der strahlend blaue Blick von Christine Schorn auf den ruhelos nervösen Böwe. Das plötzliche frohe Lachen des mächtigen Mannes, im nächsten Moment sein ängstlich unwilliger Rückzug, wenn sie ihm nahekommen will. Viel nachsichtige Lakonie von ihr, wütende Gereiztheit von ihm, eine Genauigkeitsstudie über 47 Jahre Eheleben. Die leidet unter papiernen Dialogen und mißratenen Wutausbrüchen. Darin jedoch wiederum dem Leben selbst gleichkommt. Die berührendsten Momente spielten zwischen den Szenen, wenn Schorn und Böwe sich im Dunkeln an der Hand hielten, um nicht beim Auf- und Abtritt von der Schräge zu stürzen. Inbild für die im Scheinwerferlicht uneingelöste Utopie des erfüllten Lebens. Nikolaus Merck

Nächste Vorstellungen: Heute und am 18.1., 19.30 Uhr, Kammerspiele des Deutschen Theaters, Schumannstraße 13a, Mitte

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