■ Vorschlag: „Der Kopf des Mohren“ – ein Film von Paulus Manker
Irgendwann liegt Georg, der Wissenschaftler, in der Badewanne. Vor ihm treibt ein gelbes Plastikentchen im Wasser. Und wenn er hochblickt, wäscht sich seine Gattin das Gesicht, und von ihren Händen rinnt das Blut in dicken Fäden. Georg wird verrückt. Das und nicht weniger ist die Geschichte von „Der Kopf des Mohren“, dem dritten Spielfilm von Paulus Manker, der sich als Regisseur und Schauspieler vor allem am Wiener Burgtheater einen Namen machte. Aus dem rationalen Karrieremenschen, gespielt vom Burg- Schauspieler Gert Voss, wird langsam ein von Erscheinungen geplagter Gefühlsmensch, der allein von seinen Wahnvorstellungen und Ängsten getrieben wird. Umgeben von Radiomeldungen, Straßenlärm und dem eindringlichen Knirschen des morgendlichen Toastbrots steigert sich Georg in den Wahn, die Welt sei nur darauf ausgerichtet, ihn und seine Familie zu vergiften. „Am besten wäre, man würde verrückt“, sagt er. „Wenn du ein grünes Idyll brauchst“, kontert die von Angela Winkler gespielte Ehefrau, „dann geh doch zu Greenpeace.“ Doch statt dessen beginnt er einen Gemüsegarten inklusive Tierzucht in der eigenen Stadtwohnung zu betreiben und betritt die Straßen von Wien nur mehr mit Atemmaske.
Jemand anderes mit entsprechend mehr Geld hätte mit dieser Geschichte vielleicht den „Blade Runner“ zu Ende gedacht. Manker aber erhält die Bedrohlichkeit gerade dadurch, daß Wien nicht zum postapokalyptischen Moloch mutiert und er seine Figuren ganz schlicht Blicke senden und kurz in den Spiegel schauen läßt, anstatt die Augäpfel aus den Höhlen kullern zu lassen. Fast allein mit den Bildern erzählt Manker davon, wie es einer nicht mehr erträgt, so zu sein, wie er bisher war – und deshalb seinen Kopf ein Stück ver-rückt. Das klingt nach Theater, aber Manker hat einen Film gemacht. Keine großen Gesten, aber viele kleine Details, eine schmutzige Hand da, ein Geräusch dort, ein Bild, das alles sagt.
Es gibt kaum Musik in diesem Film. Statt dessen die Geräusche einer Welt, die nur noch laut ist. Und die seltenen Momente der Stille, wenn das Schweigen ausbricht zwischen den Menschen. Schwer zu entscheiden, was beängstigender wirkt. Auch in „Der Kopf des Mohren“ bleibt der entscheidende Augenblick, in dem Georg seinen Stumpfheitsmantel verliert, unklar, aber das kann und sollte vielleicht auch besser gar nicht darstellbar sein. Ansonsten kommt dieser Film dem Prozeß, der dazu führen kann, bedrohlich nahe. Und wer glaubte, daß ein blutiger Splatter bösartiger und beklemmender sei als ein gut inszenierter Horrorfilm, der kriegt als letzten Beweis den Showdown von „Der Kopf des Mohren“. Thomas Winkler
„Der Kopf des Mohren“. Premiere heute, 22.30 Uhr in der Volksbühne, ab morgen in den Kinos, Termine siehe Cinemataz
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