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■ VorschlagAerobic unterm Sternenhimmel: Die Kesslers im Varieté Wintergarten

Brigitte Mira, die Dame vom Grill, und Wolfgang Völz, auch so ein Berliner, der auf keinem Boulevard vermißt werden muß, waren begeistert. Sie riefen „Bravo!“ und „Toll!“ und „Wahnsinn!“. Alice und Ellen Kessler verneigten sich ob dieser Standing ovations ihres Publikums im Wintergarten, hauchten ein synchrones „Danke“ ins Mikro und winkten glücklich. „Eins und eins ist eins“ heißt die neue Show in dem Haus für gehobene Unterhaltungskunst. Den roten Faden dafür geben die Memoiren der zusammen 120 Jahre alten Kessler-Damen ab, sie sind unter dem gleichen Titel erschienen und erzählen Anekdoten aus dem Leben zweier im sächsischen Taucha geborener Frauen, die vom Düsseldorfer „Palladium“ in den 50er Jahren bis ans Pariser „Lido“ aufstiegen.

Fortan galten sie als „Weltstars“, weil sie wirklich etwas konnten, nämlich im amerikanischen Sinne aller Professionalität gut singen, gut tanzen und gut plaudern. Allein, geben sie zu, wären sie fast nichts, zusammen sind sie die Kesslers. Was sie auch im „Wintergarten“ neuerlich unter Beweis stellten. Dabei gilt zunehmend der Blick des Publikums dem Umstand, daß sie allmählich wie Großmütter aussehen müßten und doch – gänzlich ungeliftet – so wirken, als wären sie gerade erst 30 geworden. Sie sind gelenkig wie eh und

je, sie singen mit Hilfe mächtiger Stützkunst und viel Vibrato (“New York, New York“, „May be this time“): So kennt man sie, genau deshalb erinnert man sich in Las Vegas immer noch gerne an sie; aus diesem Grund hält man sie in Italien für Göttinnen. Nur hierzulande sprang irgendwie immer nicht der Funke über. In Deutschland liebt man diese Perfektion nicht, man mag es herziger. So gesehen fiel der Applaus nach der Show auch eine Idee zu frenetisch aus – als hätte man sich vorgenommen, die Chose garantiert großartig zu finden.

Dabei fiel denn auch gar nicht auf, daß die Kesslers nicht gut beraten sind, ihre Texte selbst zu moderieren. Ihr Charme bleibt am Ende doch irgendwo zwischen den Umziehpausen in der Garderobe hängen: Trotz Unterstützung durch Artistik- und Kleinkunstgruppen wie die spanischen „Yllana“ oder die Verrenkungskünstler „Rudi & Chris“ war es mehr Beifall für die sportiven Höchstleistungen als für die öffentlich-intimen Plaudereien. Jan Feddersen

„Eins und eins ist eins“ – Alice und Ellen Kessler im „Wintergarten“, bis 16. März; Tickets ab 55 Mark, Potsdamer Str. 96

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