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■ VorschlagPlastische Qualität des Banalen: Gabriel Orozco im Kulturforum

Die beiden Kunsthallen gleichen gigantischen Containern, in deren hell erleuchtetem Inneren jedes Ausstellungsstück klein erscheint. Um so mehr, da die Kunst des Ausstellers, des 35jährigen Gabriel Orozco, vor allem in der Beschränkung liegt. Im Andeuten und Anspielen. Auch im Verrätseln. Die obere Halle wirkt besonders leer. Der Blick des Eintretenden wird so zwangsläufig auf das einzige raumfüllende Objekt gelenkt, eine aus vier kunstvoll auf- und ineinander montierten Fahrrädern bestehende Skulptur: Gruß an den Ready-made-Schöpfer und Ahnherrn der Konzeptkunst, Marcel Duchamp, und Zeichen vielleicht für die Vergeblichkeit des Fortschritts oder – bedenkt man den Untertitel: „There is Always One Direction“ – auch des Zwangs zur Uniformität. Dem hochaufragenden ironischen Technik-Mal korrespondieren im Raum vier Kugeln aus Plastilin und anderen Materialien, schwer, massiv, doch leicht ins Rollen zu bringen. Auf an der Wand aufgereihten Farbfotos finden sich manche der kleinen Tischobjekte wieder, eingefügt in ganz unterschiedliche natürliche und städtische Zusammenhänge. Es wird deutlich, daß eine von Orozcos Absichten in der Irritierung des Zeichensystems „öffentlicher Raum“ liegt, in der Frage nach Bedeutung (oder Berechtigung) von öffentlicher Skulptur. Der aus Mexiko stammende Wahl-New-Yorker und derzeitige DAAD-Stipendiat hat sich eine lakonisch gefärbte Sensibilität für die wild wachsende Urbanität der Metropolen erworben, für die plastischen Qualitäten des Banalen, Kurzlebigen, Zufälligen, des Zeichenhaften industriellen Designs, des Improvisierten und Arrangierten – und für die Verbindung unterschiedlicher gesellschaftlich-ästhetischer Sphären. In kurzer Zeit zum Star der Kunstszene avanciert – mit Optionen auf die documenta und das Münsteraner Skulpturen-Projekt –, entwickelte Orozco schon 1993 ein Projekt für das Museum of Modern Art in New York: „Home Run“ – hier nur im Katalog dokumentiert – ließ die Ausstellung gleichsam exterritorial stattfinden. Blickte man vom Museum auf eine gegenüberliegende Front von Apartmenthäusern, entdeckte man in den Fenstern jeweils eine Orange (soweit die Bewohner „mitspielten“). Man denkt unwillkürlich an die Kerzen im Fenster zu Zeiten des Kalten Krieges; symbolische Akte, die den Blick schärfen; große Wirkung durch kleine Eingriffe. Michael Nungesser

Bis 2.März, Di-Fr 9-17, Sa + So 10-17 Uhr, Sonderausstellungshallen der Staatlichen Museen am Kulturforum, Matthäikirchplatz

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