■ Vorschlag: Geliebte Chanteuse in weichem Licht: Juliette Greco in der Philharmonie
Wie man sie doch nennt: „Legende“, „Monument“, „Relikt“, ja, sogar „Standbild“. Mit solchen Worten wird die 70jährige Juliette Greco geehrt, seit sie vor sechs Jahren ein Comeback hatte. Nostalgie verbirgt sich dahinter und auch Bewunderung: Denn die „grande dame des französischen Chansons“ ist nicht nur Sängerin, sondern sie verkörpert einen ebenso widerständigen wie sinnlichen Blick auf die Geschichte des letzten halben Jahrhunderts. Noch immer tritt sie im schwarzen hochgeschlossenen Kleid, noch immer mit den schwarz umrandeten Augen auf, die wie sie selbst erneut in Mode gekommen sind.
Festhalten oder loslassen? Wer heute aus ihr eine Ikone macht, versucht sie festzulegen. Weil es nicht ins Bild passen will, daß die Bohemienne der In- Viertel von Paris in den fünfziger Jahren auch in zehn Jahren noch auf der Bühne stehen könnte. Deshalb setzt man ihr Denkmäler, „schwelgt in Erinnerungen“ oder versucht zumindest, sich dadurch zu vergegenwärtigen, daß man selbst schon eine Vergangenheit hat. Die wird wieder lebendig, wenn Phrasen wie „dunkle Schönheit“, „Königin der Existentialisten“ oder „schwarze Muse von Saint-Germain-des-Prés“ von Rezension zu Rezension gereicht werden.
Sie singt die alten Lieder, die auch mit Namen wie Jacques Brel, Léo Ferré oder Serge Gainsbourg verknüpft sind. Sie singt von der Liebe, der Freiheit, der Trennung und Hoffnung, ja auch der gesungenen Revolution, hatte sie doch im Mai 68 in den Fabrikhallen von Renault ihre Auftritte. Insbesondere trägt sie einen Hauch Existentialismus in das ausgehende 20. Jahrhundert. Sartre, Prévert, Camus, Malraux oder de Beauvoir – sie hat sie gekannt, mit ihnen diskutiert, manche geliebt und ihre Texte gesungen. Daß sie zudem Film- und Theaterschauspielerin ist, fällt wenig ins Gewicht. Es ist immer noch ihre Präsenz, die zählt und die wohl auch Mut macht, das Leben trotz aller Widerwärtigkeiten zu leben. Denn wo Comebacks sind, gehen Rückschläge voraus.
Heute singt Juliette Greco in der Philharmonie. Und wenn man will, ist sie dieselbe wie früher, nur daß ihre Stimme dunkler, tiefer geworden ist. Das steht ihr gut. Daß sie jedoch einen Hauch von unscharfem Licht braucht, um die Greco zu sein, das macht sie lebendig. Spuren zu verwischen ist letztlich doch menschlich. Waltraud Schwab
Das Konzert findet um 20 Uhr in der Philharmonie statt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen