■ Vorschlag: Unartige rumänische Speed-Folklore: Fanfare din Zece Prajeni
Blaskapellen haftet ein ziemlich spießiges Image an. Zu Unrecht, denn sie können auch anders – zumindest wenn sie aus Rumänien kommen und „Fanfare din Zece Prajeni“ heißen. Die zehn Roma- Musiker stammen aus dem Dorf „Zece Prajeni“, was zu deutsch soviel wie „bei den zehn Feldern“ heißt, und pflegen ein recht anarchistisches Verhältnis zu ihren verbeulten Blechinstrumenten. Nichts am Hut haben sie mit Musikantenstadls, im Gegenteil: Die rumänische Roma-Combo ist stolz darauf, die schnellste Tzigani-Blaskapelle der Welt zu sein, und sie entfesseln ein balkanisches Inferno, das man getrost als Speed-Brass bezeichnen kann. Oder als Posaunen-Punk, wenn man so will – auf jeden Fall gerät der Versuch, dazu mit dem Fuß im Takt mitzuwippen, schnell zu einer recht hektischen Angelegenheit. Die Hochgeschwindigkeitsbläser um Bandleader Ioan Ivancea, die zwischen 22 und 68 Jahre alt sind, entlocken ihren Trompeten und Hörnern sowie Klarinette, Baßtuba, Saxophon und Baritonhorn rasante Salven schräger Töne, die manch festgefügtes Weltbild ins Wanken geraten lassen – sagen Sie nie wieder, Folklore sei nur etwas für Langweiler! Die rumänischen Roma-Blaskapellen, die „Fanfaren“, haben ihren Ursprung in den Zeiten, als mit der osmanischen Okkupation des Balkans die türkischen Militärblaskapellen der Janitscharen-Heere Furcht und Schrecken verbreiteten und so in der Region einen bleibenden Eindruck hinterließen. Heute reagieren altgediente Blasorchester wie die „Fanfare din Zece Prajeni“ auf moderne Einflüsse, indem sie den Abba-Hit „Money Money“ auf noch nie gehörte Weise mit ihrem Blech neu intonieren. Auch ein ironischer Kommentar zur Entwicklung im postsozialistischen Rumänien, wo sich nunmehr alles ums schnelle Geld dreht und die bisherigen Erwerbsquellen nicht nur der traditionellen Blaskapellen allmählich versiegen. Daniel Bax
Heute um 20 Uhr in der Passionskirche, morgen im Tacheles
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