■ Vorschlag: Im rasenden Chor der Frauen: "Planet Lulu" im Hebbel Theater
Vorschlag
Im rasenden Chor der Frauen: „Planet Lulu“ im Hebbel Theater
Jeder auf seiner Umlaufbahn: Planet Lulu Foto: Thomas Aurin
„We don't have any sexmurderers on the island.“ Nervös an ihrem Kleidchen zerrend, berichtet Lulu von den Färöer Inseln von ihrem Problem, keinen Lustmörder zu finden. Lulu aus Malaysia übersetzt Wedekind ins Chinesische. Lulu mit der weißen Haut aus New York flirtet unentwegt mit allen, nur nicht mit ihren Bühnenpartnern; Lulu mit der schwarzen Haut aus New York entzieht sich dem Jammer der Männer mit einer Stimme, mit der sie eine eigene Welt um sich herum baut. Lulu, Lulu: Im Chor rasen die Frauen durch Wedekinds Text, rezitieren Regieanweisungen und Dialoge, bis die Stimmen bei jedem „Lulu“ Kapriolen schlagen. Das gleicht einer Fußballreportage, die von den Spielern mit verteilten Rollen vorgetragen wird, während sie ruhig auf dem Rasen sitzen. Was das Lesen an theatralischen Emotionen unterschlägt, übernimmt die Musik von Larry Steinbach.
Aus der Differenz zwischen Rolle und Schauspieler bezieht der „Planet Lulu“, den der belgische Regisseur Michael Laub mit seiner Gruppe Remote Control erarbeitet hat, eine untergründige Energie. Tanz rahmt den Text wie zufällige Illustrationen. Parallel zu Jack the Rippers monologischer Einstimmung auf das Schlußgemetzel demonstriert die schwarze Lulu Tänze aus ihrer Heimat Cleveland, und das Ensemble übt mit, als würde nicht gerade ein Massenmord auf der Bühne vorbereitet. Das eine hat mit dem anderen offensichtlich nichts zu tun, jeder scheint auf seinem Planeten in einer anderen Umlaufbahn. Vielleicht rührt es gerade deshalb so an, daß erst in einer vom Wortsinn losgelösten Bewegung Gemeinsamkeit möglich wird. „Planet Lulu“ handelt von der Kommunikation und ihrem Scheitern. Davon erzählt auch der Text: Wedekind spürte der Unmöglichkeit nach, die anderen hinter Phantombildern zu erkennen. Ins Leere läuft auch die zweite Ebene der Mitteilung, in der die Schauspieler über ihren Abstand zum Text eigentlich auf sich selbst verweisen – aber die Theatermaschinerie antwortet nur auf die Stichworte. Erst jenseits von Rolle und Darstellung beginnt das Bewußtsein, in der gleichen trüben Suppe nach passenden Entwürfen zu fischen. Katrin Bettina Müller
Hebbel Theater, 24. und 25.5., 20 Uhr
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