■ Vorschlag: Monotonie als Glück – Yo La Tengo auf dem Pfefferberg
Eine Band, auf die man sich verlassen kann, der nicht der Sinn danach steht, jeden x-beliebigen Trend mitzumachen: Yo La Tengo. Das riecht nach Langeweile, bedeutet aber bei ihnen Beständigkeit und Hartnäckigkeit. In einer Zeit, in der es Indierock insbesondere amerikanischer Prägung nicht vermag, die Leute vor Begeisterung im Karree springen zu lassen, haben Yo La Tengo ein unerhört gutes Album veröffentlicht: „I Can Hear The Heart Beating As One“. Ein Album, das sich nahtlos an die acht vorhergehenden reiht. Jedes ein bißchen besser, jedes nur um Nuancen verändert und doch viel reicher als der jeweilige Vorgänger: „President Yo La Tengo“ war ein Album mal betitelt.
In Gelassenheit und Ruhe liegt bei Yo La Tengo die Kraft, und ein Grund dafür dürfte auch ihre wirklich langweilige Homebase sein: das Städtchen Hoboken, New Jersey, eine graue Suburb von New York, in der man weiß Gott keine Eile haben muß, um jeden letzten Metropolenschrei in seinen Sound zu integrieren. Selbst wenn einen ein Velvet-Underground-Nimbus umgibt, wenn Yo La Tengo musikalisch legitime Nachfolger von Reed und Co sind, Sängerin und Trommlerin Georgia Hubley ausschaut wie eine von Moe Tuckers Töchtern und sie zusammen mit Partner Ira Kaplan in dem Film „I Shot Andy Warhol“ Velvet Underground mimte.
Bei Yo La Tengo steht nicht der Song im Mittelpunkt des Schaffens, sondern der feedbacklastige Sound. Hier werden Atmosphären geschaffen, Monotonie und Alltag als Glück verstanden. Kein Geruch von ehrlich-falscher Rockschaffe hier, keine Popsongs, sondern Eleganz und Feeling. So wirkt auch der Breakbeat nicht peinlich, der durch das Geläuf von „Autumn Sweater“ stolpert, einem der besten Songs auf dem neuen Album. Interesse ist da, Yo La Tengo sind open-minded, ohne auch nur ansatzweise auf die typische Instrumentierung und Atmo verzichten zu wollen. Hört man dann auch die Remixe von „Autumn Sweater“ – Remixe von Tortoise, u-ziq und Kevin Shields von den englischen My Bloody Valentine –, weiß man, daß niemand sie braucht. Yo La Tengo sind Yo La Tengo: alte Freunde, von denen man sich wünscht, daß sie sich nie verändern mögen. Gerrit Bartels
Sonntag, 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee, Prenzlauer Berg
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