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■ VorschlagZurück aus der Zukunft: "Romeo und Julia" als Hoftheater im Acud

Vorschlag

Zurück aus der Zukunft: „Romeo und Julia“ als Hoftheater im Acud

Shakespeares „Romeo und Julia“ endet weiterhin tragisch. Aber neben der Geschichte um Liebe und Haß spielt sich das Drama auch als moderner Konflikt ab: Die Macht des Archaischen und das Recht des Stammes zählen mehr als das Individuum. Inzwischen ist es schon fast Konvention, die Story in das Milieu der Gangs zu versetzen. Andreas Roos geht mit seiner Inszenierung im Acud-Theater noch weiter: Er siedelt das Drama in einer Sphäre an, in die schon mancher Film die schön- schaurige Zukunftsvision einer ins Archaische zurückgefallenden Menschheit projizierte, in der „Endzeit“. Daneben beschreibt er in dieser apokalytischen Situation den Konflikt allerdings als Kampf der Geschlechter.

Zwischen endzeitlichem Zivilisationsmüll und neumächtig prunkendem Goldzierat trifft also die Mädchengang „Capulets“ die den Kampf wohl gewonnen hat, auf die „Montagues“, ein Häuflein desolater Machos, das gleichwohl stets zu Spott und Streich gegen das neue Herrscherinnengeschlecht aufgelegt ist. Das Ganze lebt zudem vom Charme des verfallenen Spielortes: Der (Hinter-)Hof des Acud erinnert an die offenen, von Zuschauergalerien umlaufenen Bühnen der Shakespeare-Zeit. Gleichzeitig darf das Publikum mitten im Hof – direkt im Zentrum des Geschehens – Platz nehmen, während auf Vorderbühnen, Hintertreppen und dem Dach gespielt wird. Manchmal erscheint ein lichtdurchfluteter Festsaal hinter den Fenstern, dann wieder öffnet sich dort eine dunkle Mordhöhle dem Blick.

Treppauf und treppab, die Fassade herauf und herunter nimmt die Tragödie ihren Lauf. Zwar bleiben manche Monologe allzu tiefschürfend besinnlich inszeniert, dafür berührt uns aber fast unmittelbar das Fechten und Flüchten der Akteure. Nebenbei kann man sich auch über derbe Gesten im Sinne Shakespeares amüsieren. Romeo und Julia bringen als tragische Beziehung weniger das Pathos klassischer Liebespaare hervor als die – hier durchaus beabsichtigte – unfreiwillige Komik, die heutigen Liebenden innewohnt, so sie sich im öffentlichen Raum, in dem sie immer noch etwas deplaziert wirken, sehen lassen. Die spielerisch eingeführte Komik verkehrt die Tragödie jedoch nicht zum Klamauk, eher schon führen die stimmungsvollen Bilder wieder zu ihrem Ernst zurück. Binnen zwei Stunden gelingt es der Aufführung, das Drama aus der traditionsgebundenen Steifheit zu befreien und dorthin zurückzuholen, wo es hingehört: in die Nähe des alltäglichen Lebens. Reinhard Glagla

Bis 21.9., Mi.–So. 20 Uhr, im Acud Veteranenstraße 21, Mitte.

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