■ Vorschlag: Wie ein Wanderderwisch – Ross Daly in der Kirche zum Hl. Kreuz
Ross Daly ist eine Ausnahmeerscheinung. Nicht nur seiner schulterlang wallenden, silbergrauen Lockenmähne wegen, die ihn wie einen mittelalterlichen Wanderderwisch erscheinen läßt. Ein Eindruck, der letztlich nicht ganz falsch ist, denn ein umtriebiger Wanderer zwischen den Welten ist Ross Daly allemal.
Der schlacksige Ire steht wie kein anderer für die perfekte zeitgemäße Symbiose mediterraner und nahöstlicher Klangkulturen. Ein Vierteljahrhundert schon beschäftigt er sich intensiv mit der traditionellen Musik des Nahen Ostens, der Levante und der Ägäis, den Volksmusiken wie den klassischen Spielarten. Auf seinen Reisen durch Asien, insbesondere entlang der einstigen Hippieroute via Indien und Afghanistan, ließ sich Daly, der in England schon Klassische Musik studiert hatte, in das Spiel der Sitar und der Rabab einweisen. Dann aber, in den späten Siebzigern und Achtzigern, blieb er auf Kreta hängen, wo er sich ganz und gar der kretischen Lyra widmete. In der Türkei lernte er dann die Kemence, das türkische Äquivalent vom Schwarzen Meer, kennen und spielen.
Somit verfügt der versierte Multiinstrumentalist über die besten Voraussetzungen, an das musikalische Gewebe des einst zusammenhängenden Kulturraums anzuknüpfen und es in unsere heutige Zeit weiterzuspinnen, die heutigen nationalstaatlichen Grenzen einfach ignorierend. So läßt er die modale Volksmusik Griechenlands wieder mit ihren östlichen Quellen in Kontakt treten und kommunizieren, woraus eine atmosphärisch dichte Kunstmusik entsteht, die sich der Konventionen bewußt ist, die sie tranzendiert. Kein ausgedachtes Eine-Welt-Geschrammel also, sondern ein westöstlicher Divan, der zusammenführt, was sowieso zusammengehört. Oft entfalten seine Kompositionen eine geradezu magische Stimmung, die aber in keinem Moment in die Nähe zu irgendwelchen süßlichen New-Age- Plattheiten zu geraten droht. Und dann wird klar, warum Ross Daly unter Musikkennern in Griechenland so populär ist. Daniel Bax
Heute ab 20 Uhr in der Kirche zum Heiligen Kreuz, Blücherplatz
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