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■ VorschlagGrips-Musiker geleiten mit „Freiheit und Abenteuer“ ins neue Jahr

„Freiheit und Abenteuer“, das riecht nach staub- und schweißbedeckten Leibern, nach Lagerfeuer und angekokelten Bohnen. So rüde reißt einen der Titel der Show, die sechs Musiker und drei Schauspieler des Grips-Theaters am zweiten Weihnachtsfeiertag zur Uraufführung brachten, aus der lebkuchensatten Feiertagsseligkeit heraus. Und beginnt dann ganz unabenteuerlich mit einer Ansprache des Regisseurs Herman Vinck: Die Schauspielerin Eva Blum hat sich bei der letzten Hauptprobe ein Bein gebrochen – und damit ums Haar auch die Premiere ins Rutschen gebracht. Nun aber wird die Verletzte unter Applaus hereingetragen und thront fortan tapfer lächelnd über dem notgedrungen abgespeckten Geschehen.

Dieses beginnt sogleich mit dem ersten Song, der von Nina Lorck- Schiernings dekorativen Posen zurückhaltend begleitet wird. Denn Freiheit, das meint hier vor allem die Befreiung der Theatermusik von ihrer Unterordnung unter die Zwänge der Handlung. Daß sich daraus etwas Abenteuerliches ergeben kann, das hat das Grips bereits vor fünf Jahren unter Beweis gestellt. Heute, 1997, ergibt sich vor allem ein wunderbar temperamentvolles Rockkonzert, das mit neuen hauseigenen Kompositionen sowie Springsteen-, Coltrane- und Johnny-Guitar-Watson-Bearbeitungen einen munter swingenden Abend verspricht. Zwischen musikalischen Acts schleppt ein aufgeregter Herman Vinck im Blaumann Barhocker und Klaviere herbei und gerät zur Freude des gutgelaunten Publikums immer wieder an derselben Stelle ins Stolpern („Dinner for One“ läßt grüßen!). Der Regisseur als Pausenclown. Als Idee ganz nett, wenn auch auf Dauer ein wenig albern.

Ähnlich kommen die anderen szenischen Dreingaben zum opulenten Soundmenü über dessen assoziative Bebilderung selten hinaus: Ob tanzende Kakerlaken, knutschende Pappkartons oder der Flirt zwischen einem gediegenen Mozart und einer Punkerin – das alles ist hübsch, aber irgend etwas fehlt – vielleicht der dramaturgische Faden, wahrscheinlich aber nur das neunte Glied in der Kette: Im einzigen ihr verbliebenen Auftritt als ungeniert schwäbelnder Kneipengast (zusammen mit dem großartigen George Kranz) macht Eva Blum klar, was das Ganze hätte sein können, wenn es denn ganz geblieben wäre. Der begeisterte Schlußapplaus gilt nicht zuletzt dem Mut, dieses Abenteuer dennoch gewagt zu haben. Sabine Leucht

Noch am 29. und 30.12., 2. und 3.1., 19.30 Uhr sowie am 31.12. um 16 und 22.30 Uhr im Grips, Altonaer Straße 22, Tiergarten

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