■ Vorschlag: „Sheriff Teddy“ von Heiner Carow
Sätze gibt es, deren Zeitlosigkeit nicht ahnen konnte, wem sie zuerst einfielen. Die Mutter eines gewissen Kalle sagt so einen Satz in „Sheriff Teddy“. „Osten, Westen – die Kinder wissen ja nicht, wo sie hingehören!“ „Sheriff Teddy“ ist der erste Film von Heiner Carow und erzählt die Geschichte einer gefährdeten Jugend im Berlin von 1957. Wäre „Sheriff Teddy“ ein italienischer Film, so spräche man vermutlich von Neorealismus.
Kalle ist dreizehn und „böse auf die ganze Welt“. Kalle wäre gern, wie die Helden aus den Groschenheften, die er wegschmökert – wie Tarzan oder ein Western-Sheriff. Als Kalle mit seinen Eltern aus dem Westteil in den Ostsektor Berlins umzieht, findet er sich nicht mehr zurecht. Seine „Teddy-Bande“ mußte er in den Bomben-Kellern von Gesundbrunnen zurücklassen, und die Groschenhefte sind in der neuen Umgebung verpönt. „Wir wollen deine westlichen Gangster-Methoden nicht!“ brüllt Albi, der Jungstalinist aus Kalles neuer Klasse. Noch erscheint der Ostsektor in Heiner Carows Film nicht als beste aller möglichen Welten. Dogmatismus und Mitläufertum bedrohen das Werden einer idealischen Gesellschaft. „Sheriff Teddy“ handelt von einem trotzigen Außenseiter unter Pionierhalstuchträgern, dessen Integration letztendlich gelingt, weil sein „guter Kern“ in einer Umgebung wohlmeinenden Verständnisses und Charakter-begradigender Kontrolle geweckt werden kann, die später Kollektiv heißt. Ein idealisches Stereotyp, von Carow aber grau in grau gehalten. Der lebenskluge Lehrer Freitag (Günther Simon), der vaterlose „gute Pionier“ Andreas sind selbst beschädigt – durch den Krieg – und doch da für Kalle. „Sheriff Teddy“ ist Krimi und Eastern. Der Kampf zwischen Gut und Böse ist in Carows Film eine individuelle Entscheidung, die sich für Kalle in die Entscheidung zwischen den richtigen oder falschen Freunden übersetzt. Dennoch: „Sheriff Teddys“ Moral ist wunderbar wortlos, sein Weg ins Leben glaubhaft steinig. Und dann ist da, wie gesagt, das Zeitlose: „Jibb doch bloß nich so an mit euam Westen!“ schnieft Andreas, als Kalle in die Klasse kommt. „Besser als eua Osten!“ giftet Kalle zurück. Klassik bedeutet Trost. Anke Westphal
„Sheriff Teddy“, DDR 1957, Regie: Heiner Carow, im Eiszeit-Kino, Colosseum, Hackesche Höfe
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