■ Vorschlag: Jürgen Kuttner in der Volksbühne
Dieses Mal hält es Jürgen Kuttner in seinem nun schon 7. Videoschnipselvortrag u.a. mit Schlagern: Diese sind nicht nur „eine Zeitlang besonders beliebte Tanzlieder“. Auch „eine Ware, die reißenden Absatz findet (Duden)“, kann gemeint sein. Das wußten selbst die Macher des DDR-Fernsehens. Damals, 1964, gab es die Sendung „Schlager einer Kleinstadt“. Heinz Florian Oertel, ein ebenso bekannter wie heiß geliebter (oder gehaßter) Sportreporter, befragte Menschen nach den Schlagern ihrer Stadt. Die Ausschnitte, die Kuttner zeigt, stammen aus der Sendung über Radeberg. Da wurden Fernseher gebaut und Bier gebraut. Die Schlager ihrer Stadt, wie artig die Befragten sagen. Schnitt und Oertel erkundigt sich nach technischen Neuerungen. Der Kollege strahlt: „1965 bringen wir ein neues TV-Gerät heraus. Die Bedienungselemente sind vorn montiert, damit es gut in die Schrankwand paßt. Ein modernes Gerät für moderne Leute.“
Das große Thema des Abend ist also das Fernsehen an sich, das Bild des Fernsehers im Fernsehen im besonderen. Dazu haben sich Kuttner und Compagnon André Meier in Archiven umgesehen. Fündig wurden der Kulturwissenschaftler und der Kunsthistoriker auch beim SFB, der 1959 das „Mitteldeutsche Tagebuch“ zeigte: Ein Österreicher bereiste Ost-Berlin und Dresden und erlebte Seltsames. Da kämpften Arbeiter um den Buchstaben „Q“, der „aber nicht Quark, sondern Qualität bedeuten soll“ und den DDR-Produkten, zum Beispiel Fernsehern, einem Gütesiegel gleich zum Verkauf verhelfen sollte. Ein schlimmes Land, urteilte der Mann, in dem er nicht leben, ja, „nicht mal als Bild an der Wand hängen möchte“. Wenn das (heute) nicht lustig ist. Überhaupt: Es gibt viel zu lachen. Ganze 30 Minuten Filmschnipsel sind zu sehen. Den Rest des rund zweistündigen Abends bestreitet Kuttner mit seinem Mundwerk. Die eine Hälfte des Gesagten wird beim Schneiden erdacht, die andere kommt frei hinzu. Scheinbar gibt es kein noch so dummes, lächerliches Dokument west-östlichen Fernsehschaffens, in dem sich nicht – beispielsweise – die deutsche Seele, die 11. Feuerbach-These oder Chiffren des Sozialstatus, etwa Gebisse, entdecken ließen. So was macht Spaß. Und bildet. Das werden im Februar/März auch die Dresdner und Leipziger merken, denn Kuttner geht auf „Tournee“. Andreas Hergeth
Heute in der Volksbühne, 21 Uhr
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