■ Vorschlag: Lebende Legende lebt wirklich noch: Auf zu Little Willie Littlefield in den Ratskeller in Köpenick
Was war nur so interessant an jener Ecke 12. Straße und Vine in Kansas City, daß darüber die Beatles, James Brown und Dutzende andere sangen? Selbst bei genauester Betrachtung war diese Straßenecke eine von Tausenden ganz gewöhnlichen. Das Nachtleben tobte sechs Häuserblocks weiter, und Straßenmädchen standen auch nicht an den Ecken, die architektonisch nichts Besonderes boten.
Der erste, der über diese Kreuzung sang, war 1952 der Pianist Little Willie Littlefield. Unter dem Titel „K. C. Loving“ standen die Namen Leiber & Stoller als Texter und Komponist. Ein Hit wurde dieser erste Versuch nicht. Littlefield sang „I'm goin' to Kansas City, Kansas City here I come, they've got a crazy way of loving there and I'm gonna get me some“. Und trotzdem sorgte der Titel für Furore. Es lag an einem einzigen Wort, und zwar am letzten: Dieses anscheinend so unverfängliche „etwas“ war den prüden Moralaposteln des Volksverhetzers Joseph McCarthy zu eindeutig – was immer die sich unter der „verrückten Art zu lieben“ vorstellten. Das Lied wurde von vielen Radiostationen boykottiert und verschwand schnell aus den Plattenläden.
Erst 1957 wurde das Stück als „Kansas City“ ein Riesenhit, als Wilbert Harrison das Worte „some“ durch „one“ ersetzte. Little Richard, Dion, die Everly Brothers, Jimmy Witherspoon, Peggy Lee, Fats Domino und die Stones hatten es in ihrem Programm. Jahrelang behauptete Littlefield, er hätte das Stück geschrieben und dann verkauft, mittlerweile gibt er zu, daß es doch von Leiber & Stoller stammt.
Littlefield, im September 1931 in Texas geboren, gehört zu den letzten Zeugen der Geburt des Rhythm & Blues. 1948, noch keine 17 Jahre alt, nahm er seine erste Platte auf, „Little Willie's Boogie“. In den folgenden drei Jahren hatte er mit „It's Midnight“, „Farewell“ und „I've Been Lost“ drei Hits in den Rhythm & Blues-Charts und wurde zum Vorbild für Fats Domino. 1952 dann schwärmte er vom „K. C. Loving“.
Trotz oder wegen des Skandals um das „obszöne“ letzte Wort wurde es still um den Mann. Nach größerer Pause landete Littlefield erst 1957 mit „Ruby Ruby“ seinen letzten Hit. Bis Mitte der 70er Jahre tingelte er durch kalifornische Bars. 1978, lange nach den ersten Rhythm'n'Blues-Leuten, die hier wiederentdeckt wurden, kam er erstmals nach Europa. In der Fernsehsendung „Ohne Filter“ wurde er als „lebende Legende“ angekündigt.
So werden sie natürlich immer ans Publikum gebracht, und meist nicht gerade zu deren Vorteil, aber in diesem Fall geschah es vielleicht nicht ganz zu Unrecht: Mittlerweile kann kaum noch einer so hart den Boogie Woogie aus den Tasten hämmern oder Bluesballaden schmachten wie Littlefield, der „kleine Willy“. Norbert Hess
Heute 21 Uhr und morgen 20 Uhr, Ratskeller, Alt-Köpenick 21, Köpenick
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