piwik no script img

■ VorschlagMährischer Jazz mit Emil Viklickýs Trio im Tschechischen Zentrum

Der Pianist Emil Viklický, der Bassist František Uhliŕ und Laco Tropp am Schlagzeug bilden zusammen einen schweren Brocken Urgestein des tschechoslowakischen Jazz. Bei allen fällt die Initiationszeit als Musiker mehr oder weniger zusammen mit dem Aufblühen der tschechoslowakischen Jazzszene in den 60er Jahren. Die Prager Jazzclubs, die damals öffneten, wurden schnell zu bevorzugten Treffpunkten der Avantgarde. Laco Tropp machte damals auch im Ausland Furore, in Deutschland u.a. durch Auftritte mit Peter Herbolzheimer. Viklický und Uhliŕ, während des Prager Frühlings noch Teenager, machten ihre Karriere bereits unter veränderten Vorzeichen, denn nach 1968 waren Auslandsreisen auch für Musiker nicht mehr Selbstverständlichkeit, sondern Privileg. Doch der Jazz hatte sich inzwischen so weit etabliert, daß es der Parteibürokratie geraten schien, ihn in gewissem Rahmen sogar zu fördern. So feierte Viklický in den 70ern Erfolge auf Festivals im Westen. Die Jazzclubs umgab noch jahrzehntelang die klandestine Aura von Dissidententum und Anderssein. Doch im Grunde war der Jazz bravgepflegt geworden. Politischer Protest artikulierte sich weniger hier als in der jüngeren Rockszene. Auch musikalisch enthielt man sich allzu gewagter Experimente, pflegte jedoch einen Standardjazz auf hohem künstlerischem Niveau.

Viklický reichte es nie, nur erstklassigen Standard zu spielen. Ohne ein großer Grenzüberschreiter zu sein, brachte er es zur Perfektion in der Kunst der behutsamen Annäherung, spielte mit Jazzgrößen wie James Williams ebenso wie mit Musikern anderer Richtungen, brachte sein Ensemble mit klassischen Streichquartetts oder Folkloregruppen zusammen. Und gerade die Verbindung von Jazz mit mährischen Volksliedelementen ist es, was ihn seit der Wende verstärkt beschäftigt. Mehrere CDs sind daraus entstanden, eine davon mit der Experimental-Folklorekünstlerin Iva Bittová.

Eine gwisse Ironie liegt darin, daß die musikalische Hinwendung zum „Nationalen“ genau das war, was die Partei sich immer so gewünscht hatte. Paradox ist dies nur scheinbar; können doch die Künstler nach der Revolution endlich freiwillig das tun, wozu man früher nicht gezwungen werden wollte. Gleichzeitig fügt sich diese Tendenz zur Rückbesinnung auf die Wurzeln hervorragend in den westeuropäischen Trend zur „Weltmusik“. Nach einem Konzert vor der Queen verlieh die englische Presse Viklický das Prädikat „Janáček des Jazz“. Eine größere Ehrenbezeigung kann es für einen mährischen Musiker nicht geben. Katharina Granzin

Emil-Viklický-Trio: Mährische Volkslieder, 20 Uhr, Tschechisches Zentrum, Leipziger Straße 60

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen