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■ VorschlagZur Eröffnung der Gschäftsräume: Laden für Kunstbuchattrappen

Im Schaufenster von Laurids & Mattheus stehen dreizehn Bände Picasso für 250 Mark. Doch nicht nur, wer sein Regal mit preiswerten Folianten bestücken will, ist hier an der richtigen Adresse – auch wer eine Pistole zu transportieren hat, braucht nicht mehr seine Bibel zu zerschneiden: Noch zwei Wochen lang hat Berlin seinen ersten Kunstbuchattrappen-Laden.

Der Laden ist aufgebaut wie ein normales Buchgeschäft. Nur statt der Regale gibt es Wäscheleinen, an denen die Buchumschläge hängen: grob nach Genres geordnet, Monographien 20. Jahrhundert, Renaissance, Fotografie, Architektur, Film, fein sortiert nach dem Alphabet von A bis Z. Ungefähr 2.500 Umschläge haben die beiden Künstler zusammengesammelt, zum Teil aus dem eigenen Bücherschrank, zum Teil aus Bibliotheken. Bezahlt wird nach dem laufenden Zentimeter Buchrücken, der bei ungefähr acht Mark liegt. Statt 400 Mark für einen Band Wittgenstein ist man bei Laurids & Mattheus mit 20 Mark dabei. Hergestellt wird die Pappattrappe direkt auf dem Produktionstisch im Laden. Im Regal ist eine Attrappe nicht von einem echten Buch zu unterscheiden.

Und wann macht man den Unterschied schon? Wie oft schaut man tatsächlich in Giaccometti-Monographien, Donatello-Bildbände oder Konzeptkunstbücher, die in den sechziger Jahren im Eigenverlag herauskamen, solange man sie im Regal hat? Laurids & Mattheus und ihre leeren Bücher sind die wahren Bibliophilen: Ihr Spaß an der Ordnung und dem System hat sich vom Inhalt zwischen den Deckeln emanzipiert. Doch jenseits der Problematisierung des Mediums Kunstbuch – „Fotobände sind populistischer, kann man schnell drüber reden“, aber mit junger Kunst „kann man sich am besten profilieren“ – und der sozialen Installation in der Galerie, die so tut, als sei sie ein Laden, verkaufen Laurids & Mattheus konkrete Dienstleistung. Vielleicht weniger für den Besuch, eher für Filmsetdesigner, Theaterrequisiteure oder Möbelhausausstatter, die natürlich auf Wunsch die richtige Wand kompiliert bekommen. Und wer dem Diktum folgen möchte, man solle Bücher benutzen wie Werkzeugkisten, kann das nun endlich tun. Für einen Hammer reicht der Platz in einem Wittgenstein-Band allemal. Tobias Rapp

Laden für Kunstbuchattrappen, Gormannstraße 23, geöffnet von 14 bis 20 Uhr, noch bis zum 5. September

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