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■ VorlesungskritikUnbefleckte Empfängnis

Werner Dahlheim Foto: W. Borrs

Daß der Weg zur Vorlesung „Maria: Jungfrau, Gottesmutter und Himmelskönigin“ am Institut für Schweißtechnik vorbeiführt, das ist, keine Frage, nur an der Technischen Universität möglich. Leider wurden die kleinen, aber feinen Geisteswissenschaften der City-Uni an dieser Stelle bislang etwas stiefmütterlich behandelt. Das ist bedauerlich und ungerecht, zumal angesichts des Berliner Finanzlochs das Damoklesschwert drohender Abwicklung an immer dünnerem Faden über ihnen schwebt.

Es ist schade, daß unter dem Vorwand einer vermeintlichen Studienreform viele Professoren dazu übergehen, Semester für Semester dieselbe langweilige Einführungsvorlesung zu halten. Doch gibt es noch Dozenten, die es sich erlauben, über zwar abseitige, aber dafür um so interessantere Themen zu lesen, deren einziger Bezug zum Fachgebiet des jeweiligen Lehrstuhls darin besteht, daß sich dessen Inhaber für sie interessiert.

Werner Dahlheim hat sich dieses Semester für Maria entschieden. Das ist zwar ungewöhnlich, aber rein formal fällt sie in die Zeitspanne, für die der Althistoriker zuständig ist. Doch es hat etwas Blasphemisches, die Gottesmutter der profanen Epocheneinteilung zu unterwerfen und damit auf eine Stufe mit, sagen wir, Cleopatra zu stellen. Schon dadurch macht Dahlheim deutlich, daß er das Thema nicht mit theologischem Weihrauch einzunebeln gedenkt.

Heute geht es um die Entwicklung der Marienvorstellung durch die Jahrhunderte. Gerade weil die biblischen Zeugnisse spärlich sind, begannen sich bereits im zweiten Jahrhundert Legenden um die Figur der Gottesmutter zu ranken. Mit einer ausladenden Geste beschreibt Dahlheim, wie die Geschichten sich mit der Zeit ausdehnten. „Man denkt etwa darüber nach, ob die Mutter den Sohn verhauen hat.“

Beim Bau der römischen Basilika Santa Maria Maggiore im fünften Jahrhundert rückte Maria in die Apsis, an den Platz, der zuvor Christus vorbehalten war – eine Revolution. Zugleich entwickelte sich die Vorstellung von der Himmelfahrt. Daß der Erlöser seine Mutter sofort zu sich in den Himmel holte, ohne das Jüngste Gericht abzuwarten, sei theologisch „höchst anstößig“.

Als die Mutter im Herbst des Mittelalters endgültig ihren Sohn zu verdrängen drohte, trat Martin Luther auf den Plan. In seinem Magnificat-Kommentar habe er Marias Mitwirkung an der Erlösung auf den rein physischen Akt des Gebärens zurechtgestutzt und sich vor allem gegen das Wallfahrtsunwesen gewandt. Da konnte es nicht ausbleiben, daß der Jesuit Petrus Canisius den Rosenkranz als durchschlagende Waffe gegen die protestantische Marienverschmähung schwang.

„Wer meint, weiter kann man nicht gehen, der irrt sich“, denn 1854 verkündete der Papst das Dogma von der unbefleckten Empfängnis. Nur vier Jahre später erschien in Lourdes prompt eine weiße Dame und sprach: „Ich bin die unbefleckte Empfängnis.“ Dahlheim findet die zeitliche Koinzidenz verdächtig: „Natürlich kann's nicht sein, bei allem Respekt!“ Damit stelle sich die Frage, ob Maria mehr in den Himmel oder auf die Erde gehöre. Was Dahlheim selbst meint, offenbart – wie so oft – ein Versprecher: „In die Erde.“ Ralph Bollmann

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