■ Vorlauf: Die Kirchturmuhr
The Making of... Internet; Sat.1, 00.20 Uhr
Ein Dokumentarfilm übers Internet ist in etwa so müßig wie ein Beitrag über HDTV-Fernsehen: Die Neuerung bleibt im alten Medium auf der Strecke. Statt durchs Netz zu stromern und sich in irgendwelche bizarren News-Gruppen über Cyber-Ökomomie oder Sockenfetischismus einzuklinken, haben Ed van Megen und Florian Zeyfang vom Berliner Dogfilm- Team den Stand der Kommunikationstechnik in Interviews abzubilden versucht. Die Bilder sind auf Maß geschnitten, und der Techno- Soundtrack tut das Seinige zur Unterhaltung – das Ganze bleibt kühl: Medientheoretiker, virtuelle Städteplaner und kreative Hacker reden, während im Hintergrund kolonnenweise Datenverzeichnisse über einen grauen Bildschirm rasen. Eine diskursstarke, aber nicht sehr laienfreundliche Angelegenheit.
Andererseits bekommt man das Abc der neueren Mediengeschichte erklärt: Freundlich sitzt der Kommunikationssoziologe Howard Rheingold in seiner Sofaecke und erzählt, wie schon im Mittelalter die Kirchturmuhr den Rhythmus des Alltags strukturiert hat. Einen ähnlichen Einschnitt stellt für ihn das Internet dar. Sein Resümee ist dabei ebenso schlicht wie optimistisch: Mehr Information bedeutet mehr Demokratie. Wenig später scheint sich dieses milde Urteil allerdings zu relativieren, wenn ein Beauftragter vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik berichtet, welche Mühe der Verfassungsschutz aufwendet, rechte wie linke Netzwerke am Austausch von Daten zu hindern. Und auch Rheingold weiß, daß die US-Regierung am Hoheitsrecht über die Verschlüsselung festhält. Der Staat liest mit, auch im Internet. Dennoch stehen die meisten Befragten dem Netz mit einer jungenhaften Begeisterung gegenüber.
Erst wenn die Menschen „sich nicht mehr auf die Straße trauen“, weil ihre Welt allein im Netz stattfindet, will der Amsterdamer Alternativnutzer Geert Lovink den Stecker rausziehen. Bis dahin wird er sich weiter auf Post freuen, die er in seiner Mail-Box findet. Mal sehen, wann bei ihm die ersten Werbewurfsendungen eingehen.Harald Fricke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen