■ Vorlauf: Der Ober-Grzimek
„Weltgeschichte des Tierfilms“, 20 Uhr, Sat.1
Fritz Egner ist wohl das, was man einen Allrounder nennt. Jahrelang leitete er die ARD-Kita „Dingsda“, um sich dann als Käsekästchen-Onkel bei Sat.1 zu verdingen. Nun präsentiert er dort nichts Geringeres als die „Weltgeschichte des Tierfilms“. Tierfilm – muß sich Egner gedacht haben –, da ziehe ich doch am besten meine Hardy-Krüger-Weste an und lasse mir einen Dreitagebart wachsen. Gesagt – getan, und schon steht Egner quasi voll savannentauglich vor der Kamera und tut so, als wäre er selbst der Ober-Grzimek. Dabei muß er lediglich die Schmankerln ansagen, die seine Crew bei der Safari durchs Archiv aufgestöbert hat. Zum Beispiel die wackeligen Schwarzweißbilder aus den Kindertagen des Tierfilms, als man sich zum Auftakt der Dreharbeiten noch Waidmannsheil! zurief und so lange an den Uraldriesen rüttelte, bis verschreckte Gorillababies herunterfielen. Ein Zeitdokument der Filmgeschichte, das Egner auch bequem vom häuslichen Bärenfell aus hätte ansagen können. Statt dessen muß er seinen Aufsager mitten in Zaire machen und sich vom Gorillamännchen „Mushamaka“ bedrohlich anfletschen lassen. Kein Wunder, daß Sat.1 angesichts solcher Sperenzien finanziell nicht aus dem Quark kommt. Den Zuschauern könnte das ja eigentlich egal sein, zahlen ja sowieso die Werbekunden. Doch Egners hymnischer Kommentar legt sich wie Mehltau auf die zweifellos schönen Aufnahmen. Jede Sequenz ist ihm aufs neue die „atemberaubendste“, „spannendste“ und „dramatischste“. Völlig aus dem Häuschen gerät Egner, wenn sich auf offener Steppe olle Darwin Bahn bricht: wenn sich rivalisierende Löwen gegenseitig anknabbern oder ein Seeleopard aus Spaß Pinguine lyncht. Dann salbadert Egner oberlehrerhaft von „Explosionen animalischer Kraft“ und verpaßt sich und seiner eigenen Sendung gönnerhaft das Prädikat legendentauglich. Und spätestens als das größte Krokodil der Welt unter den durstigsten Kuhantilopen Afrikas ein veritables Massaker veranstaltet, wünscht man sich, der nervigste Moderator Deutschlands wäre eines dieser arglosen Gnus. Oliver Gehrs
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