■ Vorlauf: Im Lot mit Ziegen
„Die Ziegenkönigin“, 23.15 Uhr, WDR
Es ist Winter in Wildeshäusle. Zwei weiße Ziegen biegen sich im Heck des weißen VW-Polo. Zwei weiche Ziegenmünder, zwei ausgiebige Ziegenbäuche. Ein Ziegenohr knickt gegen die Scheibe. Wir sehen den langen Zopf am Hinterkopf der Ziegenkönigin, die an ihrem Häusle steht und den Ziegen nachschaut: „Adieu! Adieu!“ In Kürze wird es auch sie davonziehen, nach Andalusien, und nur eine robuste Ziege und zwei Lämmer fahren mit. Imad Karim stellt uns die Ziegenkönigin Beate von Pückler fünfzehn Minuten lang in der Reihe „Paradiesvögel“ vor – sogar, wie sie beim Melken mit Ziegenzitzen auf sein Team zielt.
„Diese Zie ist lieb und friedlich“, verkündete bereits Ziegenkenner und Dadaist Schwitters in seinem wahren Lied „Die Zie“ über dieses womöglich tropfeste aller Tiere. Nur wer die Ziegen kennt, weiß, wie sie riechen und sich freundlich seitlich an Zäune schmiegen. Auch lieben Ziegen Brombeerblätter, deswegen springt die Ziegenkönigin mit ihrer kleine Herde in ein lichtes Wäldchen, wo die Ziegen ihre samtenen Münder um große grüne Blätter legen. Mit den Ziegen zusammensein, heißt, „vier Stunden am Stück glücklich sein können, das pure Sein“. Die 67jährige, jüngst promovierte Philosophin lebt auf einem kleinen Hof mit Weiden und selbstgebauten Unterständen, nachdem sie damals ein diagnostiziertes Karzinom „wie ein Pferd“ genommen hat, „um mit ihm in ein neues Leben zu reiten“. Die pensionierte Lehrerin hat schon im alten Leben Ziegen zum Zeichnen in die Schule gezogen – eine gehörnte Ziege und einen ungehörnten Bock. Im neuen Leben hat sie eine neue Wirklichkeit kreiert, mit Ziegen und kleinen kreischenden Wildschweinen, und manchmal doziert sie ziegenlos in Philosophie. Die Kamera folgt ihr durch leichten Flockenwirbel: Die kindliche Ziegenkönigin liegt im Schnee, ohne zu frieren, und ist im Lot. Dann heilt sie Ziegenkoliken durch nächtliches Massieren, und die Zufriedenheit der Ziegen ist – man sieht es – auch die ihre. Monie Schmalz
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