■ Vorlauf: Kammerspiel vom kühlen Kampf
„Die Beischlafdiebin“,
20.45 Uhr, arte
Ist nicht nötig, aus lauter Verzweiflung zuzugucken, wie Karl Moik in der ARD öffentlich 60 wird, weil überall sonst überall brüllende Männermassen kollektiv hyperventilieren, wenn ein rundes Ledergebilde irgendwo hinrollt oder nicht. Gibt auch noch einen, der was anderes zu erzählen hat. Es ist Christian Petzold, Jahrgang 1960. Er macht auf sich aufmerksam, seit er mit „Pilotinnen“, seiner Abschlußarbeit an der Berliner Filmakademie, vor drei Jahren als Autor und Regisseur debütierte. Petzold erzählt Geschichten von Frauen, die sich durchs Leben schlagen, in der Männerwelt einstecken und das Austeilen erst lernen (müssen), von VerliererInnen, die ihre Träume zäh verteidigen, obwohl ihnen meist männlicherseits übel mitgespielt wird. Diese Geschichten sind leise, unsentimental, melancholisch im Unterton und in schönen, schnörkellosen Bildern gezeigt.
In der „Beischlafdiebin“ bieten heute abend auf arte Constanze Engelbrecht und Nele Mueller- Stöfen Petzolds Geschichte vom verzweifelten, aber kühlen Kampf fast kammerspielartig. Der Titel führt etwas in die Irre – beim Drehen hieß es noch etwas passender „Kleine Schwester“ – denn um Beischlaf geht es eben gerade nicht.
Den vermeidet bzw. verhindert die berufsmäßige Kleptomanin Petra ausdrücklich. Als vorgeblich erfolgreiche Tourismusmanagerin mit der Story von der großen Einsamkeit setzt sie die sexgeilen männlichen Bar-Bekanntschaften mit K.o.-Tropfen oder einem „Stromschläger“ vor dem Beischlaf außer Gefecht, raubt sie aus und verdrückt sich. Damit finanziert Petra über Jahre die Ausbildung der kleinen Schwester Franziska. Aber die setzt ihre eigene Existenz und das ererbte elterliche Haus voll in den Sand. Erst lügen die beiden Schwestern sich was vor, dann beginnen sie gemeinsam zu kämpfen um ihr Leben, den großen Traum, das kleine Glück. „Wir werden es schaffen“, sagt die kleine Schwester nach der letzten schrecklichen Pleite am Schluß. Ob das so ist, bleibt uns zum Nachdenken. Ulla Küspert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen