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■ VorlaufKrippenspiel

„Stille Nacht – Heilige Nacht“, 22.40 Uhr, Arte

Zu Weihnachten drehen die Leute durch. Die einen rauben als Nikoläuse verkleidet Kaufhäuser aus, die anderen fahren mit Freunden auf Berghütten, um sich dort heile Welt vorzuspielen. Und solange es das Fernsehen gibt, dient die stille Nacht als Kulminationspunkt menschlicher Konflikte. Was drohte da nicht alles schon hochzugehen: Supermärkte, Mutters Gänsebraten und Vaters Verhältnis.

So ist es schwierig, den Weihnachts-TV-Schocker spektakulär zu gestalten. Für „Stille Nacht – Heilige Nacht“ hat man es trotzdem versucht und zwei mäßig explosive Handlungsstränge zu einem gebündelt: Gangster auf der Flucht nisten sich bei zwei Architekten ein, die samt Anhang auf einer Jagdhütte zur Bescherung schreiten. Sie kommen also gerade richtig, um die brüchige Beschaulichkeit zum Einsturz zu bringen. In der Küche blubbert noch heimelig die Bratensauce, da werden wir schon Zeuge, wie es die Frau des einen dem anderen französisch besorgt. Und weil die ungebetenen Gäste wie die meisten Vollblutverbrecher dem Sadismus nicht abgeneigt sind, kitzeln sie die verborgenen Leidenschaften und schlummernden Neurosen aus den Anwesenden heraus.

Schon erstaunlich, wie der Film trotz dieses dramaturgischen Kniffs nicht in die Gänge kommt. Erzähltechnisch hapert es an allen Enden der Handlung, die nur durch Sprünge aus dem Toilettenfenster und herumliegende Nachtsichtgeräte am Laufen gehalten wird. Schlimmer noch sind die Abziehbilder von Figuren: der gegelte Opportunist Joachim (Dominique Horwitz) etwa, der seinen besten Freund hintergeht und vor seinen Peinigern dienert, oder das Biest Simone (Charlotte Schwab), das mit Ehebruch leger verfährt, vor den Gangstern aber die Nervenschwache mimt. Da wirkt Barbara Auer als Freundin der Familie seltsam deplatziert. Die Anhängerin großer Gesten agiert hier ungewohnt zögerlich. Vielleicht wusste sie einfach nicht, welche Rolle man ihr eigentlich zugedacht hatte in diesem erratischen Krippenspiel. Christian Buß

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