: Vor einer neuen Runde im Zypern-Konflikt
Sowohl das Gipfeltreffen zwischen Papandreou und Özal als auch die Niederlage des bisherigen Präsidenten Kyprianou signalisieren, daß erstmals seit langer Zeit im Zypern-Konflikt wieder Fortschritte erzielt werden könnten ■ Aus Nikosia Klaus Hillenbrand
In Pyla ist die türkische Fahne vom Schulhof geklaut worden. Die UNO-Friedenstruppe hält Sondersitzungen mit den beteiligten Volksgruppen ab, aber keiner wills gewesen sein. Schließlich wird der Kauf einer neuen Flagge beschlossen und dieses Kapitel des griechisch-türkischen Konflikts auf Zypern erfolgreich abgeschlossen. Ein Sieg der Vernunft. Der Vorfall in dem innerhalb der UNO-Pufferzone gelegenen 1.000-Seelen-Dorf Pyla verdeutlicht, wie weit es mit den Beziehungen zwischen Insel-Griechen und –Türken gekommen ist: es gibt sie nicht mehr. Und auch in Pyla, einem der letzten gemischten Orte, leben die Dörfler nicht mit, sondern höchstens nebeneinander.
Die Nicht-Beziehung zwischen Griechen und Türken, der tote Punkt in den politischen Bemühungen zur Lösung der Zypernfrage – das alles soll jetzt ganz anders werden. Zwei Ereignisse könnten die Entwicklung auf der geteilten Insel umkehren: das eine ist nicht recht greifbar – denn es ist ein Geist. Der „Geist von Davos“, jenes „historischen“ Gipfeltreffens zwischen Premier Papandreou und seinem türkischen Kollegen Özal, streicht derzeit durch Nikosia. Außer Freundschaftsbeteuerungen hat dieser Geist bisher nicht viel zu bieten. Doch allein das ist ein Signal. Eine Lösung des Zypern-Konflikts setzt die türkisch-griechischen Verständigung voraus. Schließlich sind es türkische Truppen, die den Nordteil der Insel besetzt halten. Und Griechenland ist noch immer „Garantiemacht“ der Insel.
Das zweite wichtige Ereignis ist handfester: Die politische Wende bei den Zyperngriechen. Dank der Abwahl des bisherigen Präsidenten Kyprianou ist eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen den beiden Volksgruppen so gut wie sicher. Kyprianou hatte als Voraussetzung für Gespräche einen Abzug der türkischen Truppen verlangt – und konnte damit sicher sein, daß es gar nicht erst zu Gesprächen kommt. „Davos war ein Fehler, weil es keine Entspannung zwischen Griechenland und der Türkei geben darf, solange Zypern besetzt ist“, lautet die politische Botschaft der Kyprianou-Anhänger. Doch nicht nur sie befürchten, daß Griechenland und die Türkei, wie schon einmal, am grünen Tisch eine Zypern-Regelung beschließen könnten, ohne die Zyprioten zu fragen. Am Wochenende wurde bekannt, daß auch die USA bei den Verhandlungen über die amerikanischen Stützpunkte in Griechenland Zypern ins Spiel gebracht haben. Und für den Mai wird eine neue Initiative der UNO erwartet.
Die Freundschaftsgesten und die Versicherung Papandreous, Kriege mit der Türkei in Zukunft auszuschließen, haben auf der Insel nicht nur Zustimmung gefunden. Besorgt fragen die Leitartikler, ob das „Nie wieder Krieg“ nun bedeuten könne, daß Griechenland die Verteidigungsgarantie für Zypern aufgegeben habe – als ob die Insel von Griechenland überhaupt zu verteidigen sei. Dem zyperntürkischen Führer Denktasch kommt die ganze Entspannung höchst ungelegen. Er bevorzugt eine „Lösung“ in Form des Status Quo. Am 2.März darf Denktasch wieder um den Kalten Krieg zittern: Dann wollen Papandreou und Özal am Rande der NATO-Tagung in Brüssel weiter über Zypern sprechen.
„Ich weiß selbst nicht, was ich will“, gesteht Andreas, ein Angestellter. „Ist nun eine schnelle Lösung mit teilweiser Aufgabe unserer politischen Positionen besser oder gar keine Lösung?“ Andreas gehört nicht zu den rund 165.000 Flüchtlingen. Doch auch sie sind keineswegs durchweg Anhänger einer harten Haltung. Kann man einen Kompromiß mit demjenigen schließen, der das Land überfallen, das Eigentum geraubt hat und das alles für rechtens erklärt? Man kann. Die Wähler sind klüger als die Politiker.
Eine „schmerzhafte Lösung“ werde es geben, meinte letzte Woche der rechts-konservative Präsidentschaftsbewerber Clerides. Ganz gleich, ob nun er oder der liberale Vassiliou heute den Präsidentenstuhl erklimmen: Bei den Zyperngriechen heißt es Abschied nehmen vom Traum einer Durchsetzung aller Hoffnungen.
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