„Vor diesem Lehrer fand niemand Gnade“

■ Der Studiendirektor Rudolf Koch verhöhnte Juden und wollte Grüne gerne mit eigener Hand erschießen / Vergebens beschwerten sich Kollegen und Schulleiter immer wieder beim Kultusministerium Rheinland–Pfalz / Berufungsverhandlung läuft jetzt in Koblenz

Aus Koblenz Felix Kurz

„Wissen Sie, Herr Vorsitzender, von Goebbels gibt es sogar die Äußerung, man habe sich stark überlegt, ob man die jüdische Karte ausspielen soll.“ Der Studiendirektor Rudolf Koch sagt das aus Überzeugung und bringt es zu seiner Verteidigung vor. Für ihn liegen die „sogenannten Vernichtungslager alle außerhalb des deutschen Reiches“. In Bergen– Belsen seien „zwar auch Menschen gestorben, aber doch nicht durch Gas“, fügt er fast belehrend und vorwurfsvoll hinzu. Der 50jährige Lehrer für Latein und Ethik des Koblenzer Gymnasiums „Auf dem Asterstein“ steht derzeit vor der 9.Großen Strafkammer des Koblenzer Landgerichts. Er muß sich wegen antisemitischer und volksverhetzender Äußerungen vor Schülern und Kollegen verantworten. Konkret geht es dabei um folgende Aussagen des derzeit suspendierten Studiendirektors: „Auschwitz ist eine Erfindung der Amerikaner“, „allerhöchstens 40.000 Juden sind umgebracht worden, allein die Franzosen haben nach dem Krieg weit mehr Juden getötet“ und „die Grünen sind alle Lügner und Verbrecher, bei einer Erschießung der Grünen würde ich gerne das Kommando übernehmen“. Koblenz ist eine Garnisons– und Behördenstadt mit sehr vielen Verwaltungs– und Justizangestellten. Alles hält sich dort im Rahmen. Niemand tanzt aus der Reihe. Schließlich kennt man sich. Man weiß viel über den anderen - jedes ungewöhnliche Benehmen käme schnell ans Tageslicht. Doch zumindest im Fall des Koblenzer Studiendirektors Rudolf Koch dauerte dies etwas länger. Am 9. September 1985 ermordete Thorsten Zapp seinen Mitschüler Oliver Sachse. Zehn Tage später erstattete der Vater eines Schülers des Gymnasiums „Auf dem Aster stein“ Strafanzeige gegen den Studiendirektor Koch wegen dessen Äußerungen im Unterricht, über die jetzt schon in der Berufungsinstanz verhandelt wird. Um es gleich vorneweg zu betonen: Zwischen dem Tötungsdelikt und den Äußerungen des Studiendirektors besteht kein Zusammenhang. Die Ermordung war nur der Anlaß für die Strafanzeige des Vaters. Der Schüler Thorsten Zapp wurde übrigens zu acht Jahren Jugendstrafe verurteilt. Von einem Koblenzer Schöffengericht war Koch vor rund einem Jahr in der ersten Instanz wegen Beleidigung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Volksverhetzung, zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und einem dreijährigen Berufsverbot verurteilt worden. Koch erzählte dem Vorsitzenden Richter Alsbach auch, daß er regelrecht aus dem roten Hessen in das Bundesland Rheinland–Pfalz geflohen sei. Am 1. April 1966 wird er zuerst am Görresgymnasium und dann am Gymnasium „Auf dem Asterstein“ in Koblenz als Lehrer tätig. Seit Rudolf Koch dort arbeitet, gibt es wegen seiner fachfremden und einseitigen politischen Äußerungen im Unterricht ständig Beschwerden über ihn. Sein erster Schulleiter, der Oberstudiendirektor Manfred Neumann, berichtet dies dem Gericht. Später sind es der inzwischen verstorbene Schulleiter Kerth, dann die Oberstudiendirektorin Jutta Idler, die sich immer wieder mit Klagen über Koch an Kultusministerium und Bezirksregierung in Koblenz wenden. Doch entfernt wurde der Mann aus dem Schuldienst keineswegs. Schon 1972 schreibt Schulleiter Neumann in einer dienstlichen Beurteilung über Koch: „Leider glaubt er häufig, einer falschen politischen Indoktrinierung der Schüler entgegentreten zu müssen und schweift deshalb im Fachunterricht in politische Exkurse ab, wobei sich eine einseitige Politisierung des Unterrichts nicht vermeiden läßt. Auch in seiner an sich begrüßenswerten Absicht, Informationen über die Bundeswehr durch Besuche bei Bundeswehreinheiten zu vermitteln, überschreitet er gelegentlich die von seinen Fächern und vom politischen und pädagogischen Gespür gezogenen Grenzen.“ Jutta Idler meinte über Koch, Beschwerden seien „das tägliche Brot“ gewesen. Einmal legte sich Koch mit Schülerzeitungsredakteuren an. Ihm paßte schlicht die Besprechung des Films „Deutschland im Herbst“ und ein Artikel über den 100. Geburtstag des im Konzen trationslager Oranienburg ermordeten Revolutionärs Erich Mühsam nicht ins rechte Weltbild. Die Artikelschreiber wolle er „fertig machen, zerstampfen, ausmer zen“, sagte Koch zu einem Kollegen. Die Autoren, 16– bis 20–jährige Schüler beschimpfte er als Sympathisanten der Bader–Meinhof–Gruppe, und die die kommunistischen Zellen an der Schule wolle er zerschlagen. Zu guter Letzt erstattete Koch gegen zwei Schüler sogar Strafanzeige wegen Billigung terroristischer Gewaltverbrechen. Jungsozialisten bezeichnete er als „Gesindel“. Den Tod von Ulrike Meinhof begoß er im Unterricht mit einer Flasche Sekt. Über Hausbesetzer äußerte er sich folgendermaßen: „Früher wären die einmal scharf angeguckt und dermaßen zusammengeschlagen worden, daß man die Teile auf dem Abfallhaufen sammeln konnte“, und „ich bin dafür, daß man die Demonstranten an die Wand stellt, und dagegen, daß man die Demonstranten unter Naturschutz stellt.“ Koch hielt sich auch im Lehrerkollegium nicht zurück. Äußerungen, wie Hauptschüler seien „Untermenschen“ oder das „Bindeglied zwischen Menschen und Affen“, waren nicht selten. „Für Neger brauche man dickere Munition“, soll er dort ebenfalls zum Besten gegeben haben. Zu Kochs Unterrichtsstil heißt es im erstinstanzlichen Urteil des Schöffengerichts: „Statt den Schülern Ideale als Vorbild hinzustellen, hat er etwa Heerführer und Soldaten als Vorbild erwähnt und - wenn auch nicht wörtlich gemeint - ein Elitedenken zum Ausdruck gebracht, in dem Schwache keinen Platz haben. Eigentlich fand vor dem Angeklagten niemand Gnade, seien es Hauptschüler, seien es mäßig begabte Schüler oder politisch Andersdenkende. Unterschwellig zieht sich durch die Äußerungen des Angeklagten ein Hauch von Gewalt, wenn er von Erschießen, Duellieren, Bastonade oder davon spricht, daß ein Schüler teuren Sauerstoff verbraucht.“ Derartige Formulierungen bemühte der Lateinlehrer vor allem beim Tadeln von Leistungen der Schüler. Die geschichtsverfälschenden Äußerungen zu Auschwitz und der Ermordung von rund sechs Millionen Juden durch die Nazis fielen übrigens bei einem Gespräch im Klassenzimmer während des Schuljahres 1983/84. Reaktionen gab es damals jedenfalls nicht. Offenbar hatte aber auch niemand den Mut, dem Angeklagten energisch entgegenzutreten. Ein Oberstudienrat: „Hätte man früher den Mut gehabt, gegen Rudolf Koch tätig zu werden, den Schülern wäre viel Leid erspart worden.“