Vor der UN-Vollversammlung zu Syrien: Gefechte gehen weiter
Die Gewalt in Syrien hört nicht auf. Die UN-Vollversammlung stimmt über eine Resolution ab. China will einen Gesandten schicken, die Türkei plädiert für einen humanitären Hilfskorridor.
DAMASKUS/ISTANBUL dpa/afp | Die Gewalt in Syrien hat vor der Abstimmung über eine Resolution in der UN-Vollversammlung noch einmal zugenommen. Aktivisten meldeten am Donnerstag, seit Mittwoch seien 56 Menschen ums Leben gekommen.
In der Provinz Daraa sollen bei einem Gefecht zwischen Deserteuren und Regierungstruppen am Donnerstag drei Angehörige der Sicherheitskräfte getötet worden sein. Aus der Protesthochburg Hama wurden neue Festnahmen gemeldet.
Es wird erwartet, dass die UN-Vollversammlung am Donnerstag (21.00 Uhr MEZ) die Gewalt des Regimes von Präsident Baschar al-Assad gegen die Protestbewegung scharf verurteilt. Allerdings kann die Vollversammlung im Gegensatz zum Weltsicherheitsrat keine Sanktionen verhängen, ihre Resolutionen haben rein appellativen Charakter.
3. August 2011: Nach Monaten der Gewalt gegen das syrische Volk einigt sich der UN-Sicherheitsrat auf eine Verurteilung des Regimes in Damaskus. Allerdings hat das Papier nur den Status einer Präsidentiellen Erklärung und ist damit weniger gewichtig als eine Resolution. Die Erklärung ist der kleinste gemeinsame Nenner, sie ist nicht mit Strafandrohungen verbunden.
4. Oktober 2011: Eine von den EU-Ländern vorgeschlagene Resolution des mächtigsten UN-Gremiums scheitert am Veto Russlands und Chinas. Der Entwurf, an dem auch Deutschland federführend beteiligt war, findet zwar die nötigen neun der 15 Stimmen im mächtigsten UN-Gremium. Russland und China können als ständige Mitglieder aber jede noch so starke Mehrheit mit ihrem Veto zu Fall bringen.
4. Februar 2012: Erneut blockiert Russland eine Resolution gegen seinen Verbündeten Syrien: Moskaus UN-Botschafter Witali Tschurkin stimmt auf einer Sondersitzung des Sicherheitsrates zusammen mit China gegen einen von Arabern und Europäern unterstützten Entwurf. (dpa)
Die arabischen Golfstaaten und einige europäische Staaten bemühen sich unterdessen weiterhin, Russland und China umzustimmen, die im UN-Sicherheitsrat bereits zweimal eine entsprechende Resolution blockiert haben. Die Truppen von Präsident Baschar al-Assad hatten daraufhin ihre Angriffe auf Regimegegner nach UN-Angaben noch verstärkt.
China schickt Vizeaußenminister
China will nach eigenem Bekunden im Syrien-Konflikt vermitteln. Das Außenministerium in Peking gab am Donnerstag bekannt, den arabisch sprechenden Vizeaußenminister Zhai Jun zu einem zweitägigen Besuch nach Syrien zu schicken. Zhai solle während seines Aufenthalts am Freitag und Samstag eine "konstruktive Vermittlerrolle" übernehmen, sagte ein Sprecher. Peking hoffe auf eine "friedliche und richtige Lösung" des Konflikts in Syrien.
Angesichts der Notlage der Zivilbevölkerung in Syrien hat sich die Türkei für die Einrichtung eines humanitären Hilfskorridors durch die Vereinten Nationen ausgesprochen. Die UNO solle nicht nur in politischen Fragen in Syrien aktiv werden, sondern auch zur Linderung humanitärer Probleme beitragen, sagte Außenminister Ahmet Davutoglu nach Presseberichten vom Donnerstag. Aus diplomatischen Kreisen verlautete, der Hilfskorridor solle so weit nach Syrien hineinreichen wie möglich. Auch Frankreich verlangt die Einrichtung eines solchen Korridors.
Nach Angaben von Davutoglu hat die Türkei den UN-Menschenrechtsrat in Genf aufgefordert, Möglichkeiten für die humanitäre Hilfe in Syrien zu prüfen. Insbesondere die Belagerung der Stadt Homs durch Regierungstruppen hatte die Sorgen um die Lage der Zivilisten in Syrien in den vergangenen Tagen verstärkt.
Die Arabische Liga hat eine UN-Friedenstruppe für Syrien gefordert. Eine klassische UN-Truppe kann aber nur dann entsandt werden, wenn das in Frage stehende Land selbst zustimmt. Im Fall von Syrien ist eine solche Zustimmung unwahrscheinlich. Davutoglu verwies auf das für den 24. Februar geplante Syrien-Treffen in Tunesien. Bei der Konferenz wollen Staaten, die für einen Rücktritt des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad eintreten, als "Freunde Syriens" den Druck auf das Regime in Damaskus erhöhen.
USA: Verfassungsreferendum "lächerlich"
Die USA haben das vom syrischen Präsidenten Baschar al-Assad angekündigte Verfassungsreferendum als "lächerlich" bezeichnet. "Es verhöhnt die syrische Revolution", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, am Mittwoch vor Journalisten. "Reformversprechen folgte bisher gewöhnlich eine Zunahme der Brutalität und sie wurden von diesem Regime seit Beginn der friedlichen Proteste in Syrien nie umgesetzt."
Die Tage Assads seien gezählt, meinte Carney. Dies werde schon durch die Absetzbewegung in der Führung in Damaskus deutlich. "Mitglieder des Regimes, die militärische und zivile Führung, demonstrieren ihr Vertrauen in die eigene Zukunft - oder ihr mangelndes Vertrauen in die Zukunft Assads, indem sie ihren Besitz außer Landes schaffen, indem sie sich darauf vorbereiten, ihre Familien aus dem Land zu schicken." Syriens Zukunft finde ohne Assad statt, sagte der Präsidentensprecher. "Es geht nicht ums ob, es geht ums wann."
Assad hatte am Mittwoch für den 26. Februar eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung angekündigt, in der unter anderem die Monopolstellung seiner Baath-Partei aufgehoben wird.
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