Vor SPD-Bundesparteitag: Streit über Rente mit 67
Sieben Wochen vor dem Bundesparteitag fordert SPD-Chef Sigmar Gabriel, die Regelung zur Rente mit 67 auszusetzen. Sozialpolitiker Anton Schaaf fordert fünf Jahre Aufschub.
BERLIN taz | Das Geheimhalten von Parteiinterna, die strategische Nichtkommunikation also, hat sich in den vergangenen Monaten zu einer erstaunlichen Stärke der SPD gewandelt. Wo früher bei den Sozialdemokraten durchgesteckt und geflüstert wurde, herrscht seit der vergangenen Bundestagswahl auf einmal Ruhe. Bestes Beispiel ist das im Frühling durchgebrachte Neukonzept für den Arbeitsmarkt. Die Öffentlichkeit erfuhr davon tatsächlich erst durch die offizielle SPD-Pressekonferenz - so etwas hatte es lange nicht gegeben.
Mit der Rente mit 67, dem zweiten großen innerparteilichen Streitthema, wird das nicht gelingen. So viel ist klar, seit ein durch den Urlaub erholter Parteichef Sigmar Gabriel der ARD sagte, man könne die Rente mit 67 nicht einführen, "solange es uns nicht gelingt, tatsächlich den Anteil derjenigen zu erhöhen, die zwischen 60 und 64 arbeiten". Für den Vorstoß hat Gabriel in seiner Partei viel Zustimmung erhalten - aber auch Kritik.
Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier etwa, einer der letzten offenen Streiter für die Rente mit 67, betonte im Deutschlandfunk postwendend, es werde "notwendig sein, dass wir insgesamt länger arbeiten". In den 50er Jahren hätten die Menschen im Schnitt 8 Jahre lang Rente bezogen, heute seien es 18 Jahre, lautete seine Begründung. "Müssen wir über das 65. Lebensjahr hinaus arbeiten? Ich denke, daran wird im Ergebnis kein Weg vorbeigehen."
Unterstützung bekam Gabriel hingegen von seiner Fraktionsvize Elke Ferner. "Er hat recht mit seinem Vorstoß", sagte die Sozialpolitikerin der taz, "die aktuelle Ausgestaltung des Gesetzes lässt zu wünschen übrig."
Auch ihr Kollege Anton Schaaf stimmt Gabriels Vorschlägen zu. "Ich schlage vor, die Einführung der Rente mit 67 um fünf Jahre zu verschieben", sagte Schaaf der taz, "bis dahin müssen wir die offenen Fragen beantwortet haben." An der Grundidee will er nicht rütteln: "Wir halten an dem Ziel fest, weil wir aufgrund des demografischen Wandels nicht um ein höheres Renteneintrittsalter herumkommen."
Am Montagnachmittag vermeldete die Deutsche Presse-Agentur die nächste Stufe in der SPD-Rentendiskussion. Sie zitierte aus einem internen Kompromisspapier, nach dem die Partei die Rente mit 67 so lange aussetzen will, bis ein größerer Anteil älterer Menschen auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich auch Beschäftigung findet. Dies sehe ein Vorschlag von SPD-Fraktionsvize Olaf Scholz vor. Eine Quote werde in dem Papier nicht genannt.
In der SPD tagen intern aktuell mehrere Gruppen, die sich mit der Neuregelung der Rente mit 67 befassen, die die SPD zu Zeiten der großen Koalition in der vergangenen Legislaturperiode mitbeschlossen hatte. Am 23. August soll sich das Parteipräsidium mit der Frage befassen, am 30. August der Parteivorstand. Weitere vier Wochen später wird die Rente auch Thema auf dem Parteitag sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag