■ Vor Reiseantritt: Wissen, was läuft: Absturz über dem Fernsehkanal
Am 7. Februar wollte ich mir „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ im Fernsehen anschauen, eine herrliche Parodie auf die unzähligen Hollywood-Katastrophenschinken. Im Original heißt der Film schlicht „Airplane!“ doch das war dem deutschen Verleih wohl nicht „schräg“ genug. Aber das nur nebenbei. Zu lachen gab es an diesem Abend sowieso nichts: Eine Boeing 757 der Birgenair war vor der dominikanischen Küste ins Meer gestürzt, 189 meist deutsche Urlauber starben, und der Film wurde aus Pietätsgründen kurzfristig aus dem Programm genommen.
Nach dem Absturz des TWA- Jumbo-Jets vor der Küste Long Islands am 17. Juli warf ich einen Blick ins TV-Programm, um zu sehen, ob vielleicht zufällig wieder ein Katastrophenfilm im Angebot war. Und siehe da, die Programmplaner hatten wieder den richtigen Riecher gehabt: RTL 2 brachte mit „Todesflug KAL 007“ die passende Einstimmung auf den Absturz der TWA-Boeing mit der Flugnummer 800. Und wegen der Zeitverschiebung konnte der Film über den Abschuß eines Jumbo- Jets der Korean Airlines durch ein sowjetisches Jagdflugzeug im Jahr 1983 diesmal auch gesendet und nachts sogar wiederholt werden.
Es ist daher an der Zeit, den bisherigen Theorien über Absturzursachen neue Erkenntnisse an die Seite zu stellen. Nach Auswertung aller verfügbaren Unterlagen (Gong, Hör Zu, (TV Today etc.), Gesprächen mit Experten und einer Nacht mit einem Fischer-Bausatz komme ich zu folgenden vorläufigen Untersuchungsergebnissen.
Erstens: Die Koinzidenz von Flugzeugabstürzen und Ausstrahlung von Flugkatastrophenfilmen ist kein Zufall, sondern hat umgekehrt Methode. Die bisherigen Erklärungsversuche der Experten – technisches Versagen oder Attentat – greifen zu kurz, spätestens das Unglück von Long Island muß aus einer ganz neuen Perspektive gesehen werden.
Zweitens: Die Überlagerung der Realität durch die Medienwirklichkeit ist unverkennbar schon so weit fortgeschritten, daß die Wirklichkeit ganz offensichtlich dem Drehbuch Hollywoods folgt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Hollywood mit „Todesflug TWA 800“ unser unstillbares Vergnügen an Katastrophenunterhaltung bedienen wird. Hier muß die Frage erlaubt sein, ob der Absturz von einem skrupellosen Filmtycoon inszeniert und gefilmt wurde, um die ungeheuren Kosten für die aufwendigen Tricksequenzen und Special effects einzusparen?
Drittens: Eventuell sehen wir hier auch erste Anzeichen einer drohenden, menschenverachtenden Komplizenschaft von Terrorismus und Medienbranche. Erscheint die traditionelle Warnung vor Anschlägen in Zukunft exklusiv in den Programmzeitschriften? Oder wollten die Terroristen nur das Porto für die Bekennerschreiben sparen?
Viertens: In Zukunft muß vor dem Buchen eines Fluges der Blick ins Programmheft stehen. Bei Ausstrahlung von Filmen wie „30 Sekunden über Tokyo“, „Airport 1975“ oder „Flight 90. Disaster on the Potomac“ sollte der Flugverkehr unverzüglich weltweit eingestellt werden. Und erkundigen Sie sich auch, ob der Flugkapitän Ihrer Maschine zufällig Leslie Nielsen heißt. Rüdiger Kind
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen