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Vor Parteitag in BerlinWut an der Basis der SPD

Auf dem SPD-Parteitag werden die Parteiflügel Einigkeit demonstrieren. Die Basis aber ist sauer - wie der Bundestagsabgeordnete Swen Schulz in Berlin zu spüren bekam.

"Finanzhaie würden FDP wählen" - inzwischen würde sich die SPD wohl selbst über solche Wähler freuen. Bild: dpa

BERLIN tazDer Schriftzug ist nur noch schwer lesbar: "Hallo Nachbar … schau mal rein", grüßt das Schild der Arbeiterwohlfahrt in der Paul-Hertz-Siedlung am Westberliner S-Bahn-Ring. Hochhäuser gruppieren sich um ein kleines, einstöckiges Ladenzentrum. "Renates Futterquelle" gibt es hier und die Chemiereinigung "Hoeck". Ende der Sechzigerjahre war dies ein modernes Viertel. Das Viertel hat sich seither kaum verändert, sein Ruf hingegen schon.

An diesem Dienstag tagt die SPD. Ortsverein 71, Bezirk Charlottenburg. "Es gibt einiges zu besprechen", sagt der Schriftführer Klaus Hirschfeld. Besonders jetzt, da der Bundestagsabgeordnete gekommen ist, der "liebe Swen".

Hirschfeld ist seit Sonntag die gute Stimmung vergangen. "8,8 Prozent der Wähler hat die SPD gewonnen - wenn man die Nichtwähler mitzählt", sagt er. Der Frührentner hat einen Stapel mit Artikeln und Statistiken in der Hand, die er hektisch verteilt. "Der Niedergang der Sozialdemokratie" steht da geschrieben, oder "War es das mit links?" Auch Schulz schaut kurz auf die Blätter. Er kennt die Überschriften. Hirschfeld hat "das mal ausgedruckt", weil er ja nicht mehr arbeite. Er habe jetzt Zeit, sagt er. Zeit, sich über die SPD zu ärgern. Und sich mit dem Bundestagsabgeordneten Schulz auszusprechen.

"Der Negativwahlkampf hat mir nicht gefallen, es fehlten die eigenen Ideen", sagt Hirschfeld, und ein anderer ergänzt: "Den großen Unternehmen hilft man, aber den Mittelstand lässt man hängen." Eine Frau in roter Bluse sagt, dass "man auch Bildung und die Familie nicht vergessen" dürfe. Schulz verzieht keine Miene, Hirschfeld aber kommt in Fahrt. "Überhaupt ist die Politik der SPD zu unsozial", ärgert er sich, "Hartz IV sind doch nur Almosen und die Rente mit 67 ist eine Schweinerei." Er lehnt sich zurück und nimmt einen Schluck aus der Bierflasche. "Das wars erst mal von mir." "Klar hätte ich heute gerne eine Aufholjagd verkündet", antwortet Schulz. "Aber keiner weiß so richtig, woran es liegt." Dann sagt er etwas, das man oft gehört hat in den vergangenen Tagen. Die Wähler "konnten nicht mobilisiert werden", den Leuten fehle "das Vertrauen in die SPD". Und man müsse jetzt "mit den Menschen reden" und "den Trend gegen die SPD umkehren. Hirschfeld reicht das nicht: "Solidarität muss auch gelebt werden", sagt er, und die habe er vermisst. Franz Müntefering zeige zwar "jetzt klare Kante", aber am Ende werde wieder dieselbe Politik gemacht. Und überhaupt, warum seien die Mindestlöhne nicht schon unter Rot-Grün eingeführt worden? Er ist jetzt wütend, holt sich ein zweites Bier. Schulz lässt es über sich ergehen. Er hat noch einen Termin, schaut auf die Uhr. Die meisten Leute im Raum schweigen. Alles wurde irgendwie schon einmal gesagt, alles schon einmal kritisiert. Auch hier, im Ortsverein 71."Swen, hast du zur Motivation wenigstens einen Wahlslogan zur Bundestagswahl für uns?", fragt einer. "Nee", sagt Schulz, "da bin ich so spontan überfordert." So richtig stört das keinen. Vielleicht beim nächsten Treffen.

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2 Kommentare

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  • A
    Axel

    Vielleicht macht sich die taz-redaktion einfach mal die mühe und fragt einen/eine der hunderttausenden ausgetretenen SPD-Mitglieder. Neben Agenda 2010, Mehrwertsteuererhöhung, dreiste Umverteilungspolitik von unten nach oben, Kriegseinsätzen von Kosovo bis Afghanistan, Sozialabbau, Rentenkürzungen, Privatisierung von Gesundheit, Bildung etc., Kinderarmut, Massenarbeitslosigkeit etc. dürfte dabei ein schillerndes und umfassendes Bild sozialdemokratischen Versagens und Verantwortung herauskommen, daß diesem oberflächlichem Artikel von Herrn Repinski mehr Tiefenschärfe verpassen würde.

  • A
    Axel

    Vielleicht macht sich die taz-redaktion einfach mal die mühe und fragt einen/eine der hunderttausenden ausgetretenen SPD-Mitglieder. Neben Agenda 2010, Mehrwertsteuererhöhung, dreiste Umverteilungspolitik von unten nach oben, Kriegseinsätzen von Kosovo bis Afghanistan, Sozialabbau, Rentenkürzungen, Privatisierung von Gesundheit, Bildung etc., Kinderarmut, Massenarbeitslosigkeit etc. dürfte dabei ein schillerndes und umfassendes Bild sozialdemokratischen Versagens und Verantwortung herauskommen, daß diesem oberflächlichem Artikel von Herrn Repinski mehr Tiefenschärfe verpassen würde.