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Von der (Un-)Wichtigkeit der KommunikationÜber Luft- und Sicherheitsschlösser

Verbindet Reden Menschen? Stellt Kommunikation Klarheit her? Nähe? Unter anderem davon handelt "Teuermanns Schweigen", der erste Roman der Autorin Kathrin Gerlof.

Was für ein kleines, vom ersten Eindruck her beinahe etwas unscheinbares und dann doch so verwirrendes und bewegendes Büchlein, schön und traurig zugleich! Von eines Mannes schillernden Erzählungen mit fragwürdigem Wahrheitsgehalt spricht der Klappentext. Nun ja, das allein ist noch nichts Besonderes, wie frau weiß. Doch dieser Teuermann, den Markov, die Hauptfigur in Kathrin Gerlofs erstem Roman, bei der Pilzsuche findet, hat tatsächlich haarsträubende Geschichten auf Lager.

Auf einer Waldlichtung begegnen die beiden sich zum ersten Mal. Ein Reh, das dabei eine Rolle spielt, sorgt nicht für Romantik, sondern für Panik. Anschließend laufen die Protagonisten gemeinsam in die Irre, was zu einer eigenartigen Verbindung zwischen ihnen führt - einer Verbindung, die auf Teuermanns, der sich als Vertreter nicht von Luft-, sondern von Sicherheitsschlössern ausgibt, dramatischen Geschichten beruht, die vor dem Hintergrund von Markovs zurückgezogenem Landleben wie vom ZDF verfilmte Upperclass-Kitschromane wirken: Dieser Teuermann erzählt von einem früheren Leben, in dem es neben dem Traumjob und der Traumfrau im Traumhaus auch die perfekte Geliebte gab - bis er, nicht imstande, Entscheidungen zu treffen, und sie dadurch gerade doch treffend, den Tod von beiden verschuldet haben will.

Ist das alles wirklich passiert? Teuermann, der sich nicht nur als fesselnder Erzähler, sondern auch als begabter Handwerker erweist, zieht Markov trotz anfänglicher Abwehr ("Lieber Teuermann, es hat mich sehr viel Mühe gekostet, meine Beziehungen auf ein paar notwendige Ausnahmen zu reduzieren. […] Ich kann nicht zulassen, dass Sie die weißen Flecken wieder füllen") in den Bann: Die Neugier siegt am Ende über die Beunruhigung. Es wird ein Vertrag geschlossen, der das Reden und Zuhören mit Leben und Tod verbindet.

Markov, nach dem Abschied vom Landleben auch beruflich einer Kommunikation verpflichtet, die Tatsachen nur sehr indirekt verbunden ist ("Ich kümmere mich um die Außen- und Innendarstellung eines mittelständischen Unternehmens. […] Ich schreibe auf, wie es sein will, dieses Unternehmen"), sucht nun nach Teuermann, der mit seinen Geschichten zuerst doch so lästig war. Doch es kommt, wie es kommen muss: Die Geschichten münden in nichts als die Frage, wie es nun weitergehen soll. Das Sprechen führt zu keinem Versprechen. Oder doch? Immerhin liegt da am Ende ein Brief. Er bleibt ungeöffnet.

Kathrin Gerlof, Journalistin und Publizistin, war u. a. Redakteurin beim Neuen Deutschland und Chefredakteurin bei der Jungen Welt. "Teuermanns Schweigen" ist nicht ihr erstes Buch - 1999 erschien "Gerhard Löwenthal - Karl Eduard Schnitzler: Der Kalte Krieg in den Medien" -, aber ihr erster Roman. Er handelt von Kommunikation und ihrer Bedeutung. Oder Bedeutungslosigkeit. Verbindet Reden Menschen? Stellt Kommunikation Klarheit her? Nähe? Oder gar Verständnis? Hat sie, braucht sie Bezug zur Realität? Für den Vertreter Teuermann jedenfalls ist das Nebensache - und Kommunikation dennoch existenziell: Er verkaufe doch nur, weil er reden wolle, sagt er: "Sonst hätte das ja alles keinen Sinn. Ich lebe davon, dass mir jemand etwas erzählt." Denn: "Wenn die Leute nicht mehr mit einem reden, wird es schlimm."

Teuermanns Traumhaus jedenfalls ist kein Luftschloss. Es existiert wirklich - wenn es sich auch im Laufe der Geschichte tatsächlich in Luft auflösen muss. Markov und Teuermann trennen sich am Ende. Und kennen einander nicht einmal mehr beim Vornamen.

Kathrin Gerlof: "Teuermanns Schweigen". Aufbau Verlag, Berlin 2008, 181 Seiten, 17,95 Euro

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