: Von Wollust und Versen
Ein Abend über den durchaus unanständigen Poeten John Wilmot, Earl of Rochester, im Buchladen Männerschwarm
Nachdem im Mai 1660 das englische Parlament nach elf Jahren des Puritanismus die Monarchie restauriert hatte, gefiel man sich am Hofe Charles des II. in der Ausschweifung. Aus alter Verbundenheit zu dessen Vater setzte der König für den zweiten Earl of Rochester, einen gerade mal 13-jährigen Trunkenbold namens John Wilmot, der soeben in Oxford ein Studium aufgenommen hatte, eine Rente aus und spendierte ihm eine Kavaliersreise. Zunächst erhielt Wilmot – „gewiss ohne Prüfung“, so Christine Wunnicke, Herausgeberin und Übersetzerin der Sammlung von Wilmots Texten, die jetzt der Hamburger MännerschwarmSkript-Verlag vorlegt – noch schnell den Titel eines Magister Artium, dann reiste er, begleitet von dem schottischen Naturwissenschaftler Robert Balfour, durch Europa.
Ausgenüchtert und wissbegierig debütierte Wilmot vier Jahre später, Weihnachten 1664, bei Hofe – „ein hoch gewachsener, ein wenig schlaksiger Jüngling im Galakleid“, dessen Ankunft sich rasch herumsprach. Keine zwei Tage, so heißt es, habe es gedauert, bis „sämtliche Lehren des braven Dr. Balfour zunichte gemacht“ waren.
Wilmot, dessen Lebenswandel lustvoll allen moralischen Regeln spottete, erwarb sich den Ruf eines Antidots gegen die – bei Hofe als größte Bedrohung nach der Syphilis betrachtete – Langeweile: Er dichtete, selten zur Niederschrift oder Veröffentlichung bestimmt, Spottverse, derbe Lieder und drastische Miniaturen über Trunk und Wollust, so anerkannt in ihrer Kunstfertigkeit wie berüchtigt ihrer inhaltlichen Verderbtheit: „Die Gräfin vom Cockpit (wer kennt sie nicht? / Eine gefährliche Dame, so sagt der Bericht) – / wenn ihr letzter Freund aus dem Schlafzimmer floh, / bequemt wohl auch sie sich zu Signor Dildo.“
„Wenn Ihr sagt, es gebe Menschen, die mit ihrem Anteil an dieser Welt so vollkommen zufrieden seien, dass weder ihre Wünsche noch ihre Gedanken nach mehr Glückseligkeit und Glanz streben“, schrieb Wilmot im Jahr seines Syphilis-Todes mit Anfang 30, „so werde ich Euch erwidern: Befände sich eines solchen Menschen Seele in einem Körper, der für sie passt, so wäre er ein Hund.“ aldi
John Wilmot, Earl of Rochester: „Der beschädigte Wüstling. Satiren. Lieder und Briefe.“ Hamburg 2005, 192 S., 18 Euro. Lesung (mit Jens Wormstädt): Do., 21.4., 20 Uhr, Buchladen Männerschwarm (Lange Reihe 102)