Von Stasi als IM geführt: Vorwürfe gegen Ex-"Tagesschau"-Chef
Ex-"Tagesschau"-Chef Bernhard Wabnitz wurde als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi geführt. Wabnitz dementiert, Kontakt zur Bespitzelungsbehörde gehabt zu haben.
Was hätte das für eine dröge Veranstaltung werden können, bei der am Dienstagabend Forscher und Medienschaffende zusammenkamen, um über "die Stasi und die Medien" zu diskutieren. Tatsächlich fielen unendlich viele Floskeln wie diese: "Obwohl das erst 20 Jahre zurückliegt, kommt mir das vor wie ein Bericht aus einer anderen Welt" (der ehemalige WDR-Intendant und Ostberlin-Korrespondent Fritz Pleitgen). Oder diese hier: "Jeder zunächst belanglos wirkende Informant konnte zu einer Waffe werden" (die Chefin der Stasiunterlagenbehörde Marianne Birthler).
Doch dann das: Da platzte mitten in die Veranstaltung die Nachricht der Springer-Presse, wonach ausgerechnet der Ex-"Tagesschau"-Chef Bernhard Wabnitz von der Stasi als Inoffizieller Mitarbeiter geführt worden sein soll. Und plötzlich war Schluss mit der zunächst - wie bei dem Themenkomplex üblich - lethargisch wirkenden Debatte.
Während es sich die beiden Reporter der Welt, Dirk Banse und Uwe Müller, in der letzten Reihe gemütlich machten und auf ihren Taschencomputern mit Genuss verfolgten, wie die Nachrichtenagenturen bereits ihre Enthüllung vom nächsten Tag vermeldeten, musste sich vor allem Pleitgen im Nichtssagen beweisen. Und so sagte er auch, er hoffe sehr, dass sich das als "Abschöpfungsmaßnahme" herausstelle und sich "nicht bewahrheitet, was man im ersten Moment denkt".
Klar, im ersten Moment hören sich die Schlagwörter "Tagesschau" und "IM" schon arg gruselig an. Doch die Sache wurde von der Welt auch hübsch aufgebauscht: Wabnitz war zwar mal Chef der "Tagesschau", doch da stand die Mauer längst nicht mehr. Im fraglichen Zeitraum - die Rede ist von den 80er-Jahren - war er "einfacher" Redakteur des Bayerischen Rundfunks - also von vergleichsweise geringem Einfluss.
Und vor allem: Zwar bestätigt die Birthler-Behörde, bei Recherchen zum Einfluss des DDR-Geheimdienstes auf die katholische Kirche, die katholische Presse und - ja - den Vatikan auf eine Registernummer gestoßen zu sein, die wiederum auf Wabnitz zurückführe. Doch wir alle wissen: Das kann viel bedeuten. Aber eben auch nichts. Denn die Stasi hatte viele Menschen auf ihrer Liste. Vielfach auch ohne deren Kenntnis.
Von Wabnitz, dem Exvolontär der Katholischen Nachrichtenagentur, der heute das ARD-Büro in Rom leitet, also nah am DDR-Klassenfeind, dem Vatikan stationiert ist, ist nur Abwehrendes zu hören. "Daran ist nichts, es ist ein Skandal", rief der 56-Jährige etwa noch am Abend hastig der Deutschen Presse-Agentur zu. Und sein Anwalt kämpft mit Verfügungen gegen die Springer-Presse, habe der Mandant doch "zu keinem Zeitpunkt einen Kontakt zum Staatssicherheitsdienst" gehabt.
Nun gehört zur deutsch-deutschen Rechtsprechung auch, dass zwar manche Experten meinen, aus dem Zusammenbau der einzelnen IM-Akten genau erkennen zu können, ob jemand wissentlich oder unwissentlich der Stasi zugearbeitet hat, diese Verbindung herzustellen jedoch höchst justiziabel ist. Hierzulande muss schon der vermeintliche IM gestehen, ein solcher gewesen zu sein, damit man ihn auch wirklich als IM bezeichnen darf.
Wabnitz leugnet bekanntlich. Und so bleibt zumindest vorläufig die Erkenntnis: Die Birthler-Behörde sagt, der ARD-Mann sei als IM geführt worden. Das aber muss noch nichts zu bedeuten haben. Der Betroffene selbst weist alles von sich. Und so fehlen schlicht Fakten, um Wabnitz eine Bespitzelung von Kollegen oder dem Rundfunkapparat an sich nachweisen zu können. Wäre ja auch ein dickes Ding.
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