„Von Politik, Sex und anderen Dingen“: 30 Jahre HfbK-Filme im Lichtmeß : Mit Konsumkritik ist zu rechnen
Was Film, Sex und Politik miteinander zu tun haben können, davon lieferte 1968 der Hamburger Student Hellmuth Costard in seinem Film Besonders wertvoll eine Kostprobe: ein menschlicher Schwanz liest darin das Filmförderungsgesetz vor. In Oberhausen gab das unter anderem den, Verzeihung, Anstoß zur Reform des dortigen Filmfestivals – in Hamburg an der HfbK existierte zu dieser Zeit noch nicht einmal eine Filmklasse. Erst 1969 wird hier – nach langem Gezergel um Finanzierung und Besetzung – mit Werner Nekes ein Dozent für Film bestellt.
Was nicht heißt, dass an der HfbK zuvor keine Filme entstanden wären. Eingewiesen von Gastdozent Wolfgang Ramsbott und in Schwung gebracht durch Nouvelle Vague und einsetzende 60er-Jahre-Revolten drehten die ersten fünf Filmstudenten der Hochschule, Christian Bau, Jürgen Drese, Holger Meins, Harald Ortlieb und Rainer Sellmer 1966 Anfangszeiten, eine mit Fahrrädern und Kamera betriebene, spielerisch inszenierte Abrechnung mit den pappigen Filmen der Väter.
Unter dem Titel Von Politik, Sex und anderen Dingen ist gerade im Material Verlag eine zweite Compilation (die erste zeigt Animationsfilme) aus mehr als 30 Jahren Film an der HfbK erschienen. Maike Mia Höhne, die in den 90ern selbst hier studierte, hat insgesamt 24 kürzere Filme von StudentInnen auf einer DVD zusammengestellt und mit einem ausführlichen Booklet versehen. Ausschlaggebend für die Auswahl war, sagt sie, weniger der ohnehin sehr offene Titel der Sammlung als der Wunsch, einen Überblick über die Geschichte des Filmgeschehens an der Hochschule zu geben. Dazu gehöre leider, dass die Filme unter den Tisch fallen, an die sich heute niemand mehr erinnern konnte, geschweige denn angeben, wo sie noch zu finden seien.
Gefeiert wird der Release am Donnerstag im Lichtmeß. Mit einem deutlichen Schwerpunkt auf den Frauen unter den RegisseurInnen laufen dort vier Filme aus der Compilation: Andrea van der Straetens Suche nach Spuren des beginnenden Nationalsozialismus Familienausflug 1933 (1986), Doro Carls experimentelle Reflektion über Vergänglichkeit Das Rätsel der Sphinx (1993) und Bettina Schöllers vier Generationen von Frauen umfassende Doku-Groteske Mit Mutti ins Paradies (1996). Depressionismus von Jörn Staeger (2001) zeugt vom vermehrten Ausprobieren digitaler Tricks und Romeo Grünfelders Jimmy Jenseits von der Ergiebigkeit kurzer Interview-Porträts. Von Henner Winkler wird neben Jean & Jane auch Tip Top gezeigt, eine Art Vorstudie zu seinem Langspielfilm Klassenfahrt.
Nicht ausgelassen wird die Verschlagwortung von Sex und Politik, auch wenn das Gewicht mehr auf Letzterer liegt: 1968 drehten Christian Bau, Barbara Langhans und Günter Westphal bei der Eröffnung des Horten Kaufhauses – mit filmisch ausgeübter Konsumkritik ist zu rechnen. Außerdem erinnert ein 10-minütiger Ausschnitt aus Von der Revolte zur Revolution (hinter Kamera: Kurt Rosenthal und Hellmuth Costard) an die Besetzung des Springer-Hauses und weitere Protest-Highlights aus dem Hamburg Ende der 60er. Christiane Müller-Lobeck
Do, 20 Uhr, Lichtmeß; Maike Mai Höhne (Hg.): „Von Politik, Sex und anderen Dingen“, Edition Film 2 im Material Verlag, 22 Euro