KEROSINSTEUER: STATUS-QUO-DENKER GERATEN IN DIE DEFENSIVE : Von Gutmenschen zu Finanzministern
Jubel über die Einführung einer Steuer auf Flugbenzin ist fehl am Platz. Denn egal ob in diesem, nächsten oder übernächsten Jahr – auch wenn sich die Finanzminister der G-7-Länder auf ihrem Treffen in London mit diesem Thema befassten, von einer Realisierung sind wir meilenweit entfernt. Aber gejubelt werden darf dennoch. Darüber, dass sich die Finanzminister der weltstärksten Industriemächte derart ernsthaft mit der Kerosinsteuer befassen. Das ist ein echter Durchbruch.
Seit Jahren predigen Umwelt- und Entwicklungsverbände: Steuerfreiheit auf den Lebenssaft der Luftfahrt ist unökologisch, unsozial und ungerecht. Die Regierungen, die dafür verantwortlich sind, dass unsere Welt so auf Mobilität ausgerichtet wurde, wie sie derzeit ist, erklären die Steuerfreiheit noch immer für alternativlos. Eine klassische Blockadesituation: Wer ausschert, um Neues zu probieren, stellt sich ins ökonomische Abseits. Solange es niemand versucht, haben die Status-quo-Vertreter Recht – und betreiben eine Logik, die sich gegen jede Kritik immunisiert. Doch genau diese haben die Finanzminister jetzt aufgebrochen.
Ab sofort ist die Steuer, einst als Hirngespinst der Gutmenschen verspottet, hoch offizielles Politikziel. Nicht nur, dass der ökologische Unsinn der Subventionen für die Luftfahrt anerkannt wird – die Finanzminister gedenken sogar, das derart frei werdende Geld nicht dem eigenen Steuersack einzuverleiben, sondern den Ärmsten der Armen dieser Welt zu geben. Warten wir ab, was daraus wird. Dennoch heißt das Signal von London: Es gibt sehr wohl Alternativen – und fünfzehn Jahre Lobbyarbeit können sich lohnen.
Japan und die USA wollen die Idee keinesfalls umsetzen? Egal, die Besteuerung funktioniert auch regional. Wenn sich Europa einig ist, wird die Alte Welt zum Vorreiter. Wichtig ist nur, dass es auf dem Kontinent keine Steueroasen für den Tanktourismus gibt. Dies zu verhindern, bedarf viel Zeit und diplomatisches Geschick. Ist sich Europa aber einig, wird es einen Effekt geben, den die Welt seit dem Ringen um mehr Klimaschutz kennt: Die Bösen sind nicht mehr die, die die Alternativen ausprobieren, sondern jene, die am Alten alternativlos festhalten. NICK REIMER