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Vom Vakuum hinter der Stirn

■ Drogen, Trommel, Tanzen: Die Zutaten ekstatischer Zustände sind steinalt

Das Break kommt aus zuckendem Laserhimmel. Urplötzlich verstummt die Bass-Line, verzischen die Becken. Das Bauchfell entspannt sich. Die Stille dauert eine Sekunde. Dann psalmodiert DJ Marusha (28) ihre Frohbotschaft: „We've come a long way to leave earth!“

Glatt gelogen. Das weiß auch die frühere Nürbenberger Schuhverkäuferin. Der weite Weg aus der irdischen Hemisphäre schrumpft in der einschlägigen Szene auf den kurzen Weg zum nächsten Dealer. Bei dem nämlich gibt's für 50 Mark eine pfenniggroße Tablette namens XTC, „drei-vier-Methylen-Dioxy-Methamphetamin“, das chemische Spaceshuttle für den schönen bunten Ausflug in den Orbit. Der vom Pharma-Multi Merck bereits 1913 patentierte Appetitzügler mutierte in den achtziger Jahren zur Happy- Pill der House- und Techno-Szene, zum Heartopener für ganz coole Kids. Heute ist es das Grundnahrungsmittel der Raver; keine Parties ohne Smarties.

„Wohlig und warm“ fühlen sich die Tänzer, wenn die Pille sie „an den Energiestrom von Musik und Lichtwellen angeschlossen“ hat, wenn sich ihr „Vakuum hinter der Stirn“ (sic!) „mit Leben füllt“. Ein bißchen happy, ein bißchen sozial und kräftig gespaced. „Du willst, daß es allen gut geht, daß es für alle toll ist, daß du mit deiner Umgebung ein Ganzes erreichst“, sagt Tänzer Patrick. Love and Peace and Unity. Und für alle Bussi, Bussi! Mehr auch nicht. Oben im Kopf turnt XTC zwar geil an, unten aber radikal ab. Der Glücksbringer ist ein echter Libido-Killer. Nach häufiger Einnahme herrscht tote Hose.

Noch in den siebziger Jahren hatten die Psychotherapeuten ihren Patienten auf der Couch „Ecstasy“ verabreicht – zur „Steigerung der Fühl- und Kommunikationsfähigkeit“, zum verstärkten „Erleben des Ich“. Die neue Therapie heißt Techno, Dance to Trance, Tanzen bis zur Ekstase, bis am Montag früh der Wecker klingelt und wilde Raver sich in biedere Postbeamte und brave Zahntechnikerinnen verwandeln.

Doch so neu ist die Techno- Therapie nicht. Drogen, Trommeln, Tanzen, das sind die archaischen Zutaten ekstatischer Erlebnisse seit Urzeiten. Ob bei den Rauschpfeffer-Tänzen der Kalahari-Buschmänner, den Peyote- Zeremonien der Mescalero-Indianer, den Haschisch-Ritualen der Rif-Derwische oder den Schunkelorgien bierseliger Oktoberfest- Bajuwaren – es ist immer die gleiche Party.

„Rhythmus ist gleich Litanei ist gleich Wiederholung ist gleich Ekstase ist gleich Trance ist gleich Gott“, sagt der französische Musik-Forscher Jean Rouch. Für ihn sind die Raves „gigantische Trance-Rituale“, die DJ's die „Priester-Schamanen“ der Computer- und Cyberspace-Generation. Techno ist nicht nur Musik, „Techno ist Medizin“ und Liturgie, das unaufhörliche Gebet von 180 Beats in der Minute. Und wie zur Bestätigung haucht Marusha: „I pray to god. I pray to god.“ Der Superstar auf der Suche nach Spiritualität.

Der ständig wiederkehrende Rhythmus ist die magische Sprache des Kosmos, Ecstasy ihr Übersetzer. Bleibt die Tür zur Trance ohne die Modedroge verschlossen? „Techno geht mit und ohne Drogen“, sagt DJ Westbam, und tatsächlich versuchen viele Kids, clean zu bleiben. Wenn das Ambiente stimmt, die Musik, das Licht, die Leute, die Stimmung, dann reichen auch die körpereigenen Schmiermittel für die Hirnsynapsen.

Ob mit oder ohne Pille: „Die Götter“, sagt Rouch, „sprechen deutlich. Und sie sagen immer das gleiche.“ Bum, bum, bum, tschaka, tschaka, bum bum. M. Kriener/W. Saller

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